Kummerkastenantwort 860 – ist Geschlecht für mich schwierig, weil ich aroace bin?

Ich habe mich bereits letztes Jahr als aromantisch-asexuell geoutet und fühle mich oft unwohl damit als “Frau” betitelt zu werden. Es fühlt sich immer an, als hätte die Gesellschaft Erwartungen an mich, die ich einfach nicht erfüllen kann. Ich mag es nicht, als Frau behandelt zu werden, fühle mich aber auch definitiv nicht als Mann, dennoch bevorzuge ich weiterhin die Pronomen “sie/ihr”. Die Leute sagen mir, ich versuche bloß an dieser “nichtbinären Trenderscheinung” mitzumachen und bin allein deshalb eine Frau, weil ich mit dem Körper einer Frau geboren wurde und keine Geschlechtsumwandlung will. Aber für mich sind Geschlechter ein genauso abstraktes und unverständliches Konzept wie Sex und Liebe. Liegt mein Problem nur daran, dass es eine Art “Begleiterscheinung” als Aroace ist, oder gehört es tatsächlich zum nicht-binären Spektrum?

Hallo,

das kann schon sein, ja.

Xenia, was soll das? Ich hab eine oder-Frage gestellt und du sagst einfach ja?

Wie du sagst: gesellschaftliche Erwartungen und Normen, die mit Sexualität und Sex zu tun haben, viben mit Leuten auf dem asexuellen und aromantischen Spektrum nicht so richtig. Da sind viele Dinge unverständlich und mit der eigenen Denklogik nicht zu begründen. Und hier entsteht das doppelte ja:

Einerseits kannst du aus dieser Logik heraus für dich sozusagen rational deine Nicht-Binärität begründen. Wir tun einfach mal so, als sei Geschlecht logisch und begründbar. Denn: Genau so wie sexuelle Orientierung und Bedürfnisse dir fremd sind, scheinen dir auch Aspekte deines zugewiesenen Geschlechts fremd. Die Folgerung daraus wäre ja, dass du dann analog auch hier auf einem Spektrum bist und keinem binären Geschlecht angehörst.

Andererseits kannst du das auch in diese Logik hineinbauen. Sexualität ist auch mit Fortpflanzung verbunden. Nicht immer. Nicht automatisch. Aber in der gesellschaftlichen Norm auf jeden Fall. Da du dich dieser Norm entziehst, ist es nur konsequent und logisch, dich zumindest auch aus den gesellschaftlichen Ansprüchen rund um Reproduktion, die an Frauen gestellt werden, herausziehen zu wollen.

So. Nach dieser Vorrede zu deinen eigenen Gedanken, nun zu den Gedanken der anderen. Das geht in Kürze ganz schnell: Die haben keine Ahnung wovon sie reden.

Körper machen kein Geschlecht. Für dein Geschlecht ist völlig egal, wie dein Körper aussieht, wie nicht, was er tut und was nicht. Du kannst nicht-binär sein, sie-Pronomen (oder beliebige andere) verwenden und keine körperliche Transition anstreben. Da steckt kein Widerspruch drin. Das müssen die Leute, die dir das Gegenteil weismachen wollen, noch lernen genau so wie die Gesellschaft als ganzes.

Und zu dieser Sache mit diesem Trend. Nun. Vielleicht ist das ein Trend. Aber: selbst wenn es einer ist, ist ja nichts falsch dran, Dinge zu tun, zu überlegen und einzufordern, die dir gut tun. Und wenn es für dich gut und richtig ist, keine Frau zu sein, dann wäre hundertmal egal, ob das ein Trend sein will oder nicht, weil es allein um dich geht. Und darum, dass es dir gut gehen kann.

Liebe Grüße
Xenia

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