Kummerkastenantwort 898: Bin ich pan oder lesbisch? Und welches Geschlecht habe ich?
Hallo,
tut mir leid wenn der Text ziemlich lang wird. Ich ( biologisch weiblich, 13) beschäftige mich seit einiger Zeit( halbes, Dreiviertel Jahr) mit meiner sexuellen und romantischen Orientierung. Momentan passt a_sexuell und Pan/lesbisch zu mir.Hier ist Frage Nr.1: Wenn mir zwar das Gender (Ich benutze lieber die englische Variante, falls das okay ist) einer Person im Grunde egal ist, ich aber eine starke Präferenz zu eher weiblichen Menschen habe ( ich kenn mich mit gendergerechter Sprache noch nicht so aus, bitte verzeiht mir und korrigiert mich, falls ich wo falschliege) , bin ich dann eher Pan oder Lesbisch?
Zudem beschäftige ich mich, vor allen Dingen in den letzten Wochen, mit meiner Gender Identität. Ich fühl mich nicht zu 100% weiblich. An den meisten Tagen mag ich meine (zum Glück noch relativ kleinen) Brüste nicht und dann gibt es halt doch Tage wo ich mich lieber femininer zeige (wenn man das bei mir überhaupt sagen, ich benutze absolut keine Schminke und habe davon absolut keine Ahnung :)). Ich hatte lange mit non-binary überlegt, passt aber nicht wirklich. Habe aber irgendwo bei einer Kummerkastenfrage mal die Bezeichnung Demi- non binary gelesen und fand zwar schon sehr gut passend, aber nicht hundertprozentig. Zusätzlich verwirrend ist die Tatsache, das es mir ( glaube ich ) ziemlich egal ist was für Pronomen eins für mich benutzt.
Dazu kommt auch noch die Tatsache, das ich das Gefühl habe, nur queer sein zu wollen um irgendwie „anders“ sein zu wollen( Ich möchte hiermit auf keinen Fall sagen , das queere Menschen, egal welcher Form, anders sind. Wir sind alle gleich und verdienen den gleichen Respekt wie alle „anderen“.). Ich weiß nicht genau woher das Gefühl kommt, habe jedoch Angst, da ich auf keinen Fall Trans- oder Homphob sein möchte, da ich Diskriminierung egal welcher Form, sei Rassismus, Sexismus oder irgendetwas anderes immer gehasst habe, das auch tue und immer tuen werde.
Ich vermute das Gefühl kommt daher, dass ich noch nie verliebt war, einen Crush hatte( außer vielleicht ein bisschen auf Emma Watson;) und auch keine Dysphorie im Bezug auf meine Brüste empfinde. Also Queeres Imposter Syndrom? Der Artikel dazu hat mir echt geholfen.
Nochmal zum Them mit meinen Brüsten( ich hab echt keine Reihenfolge, tut mir leid): Ich hätte gerne einen Binder, da es mit Sport BH eher so mittelmäßig funktioniert, bin jedoch nicht geoutet vor meinen Eltern, weder was Sexualität noch Gender angeht. Sie sind zwar vermutlich sehr offen, vor allem was Homosexualität angeht, aber irgendwie hab ich trotzdem nen komisches Gefühl . Ich weiß ihr kriegt die Frage tausendfach und es muss bestimmt ziemlich nerven, aber habt ihr irgendwelche Tipps?
Für den ( hoffentlich ) letzten Teil Versuch ich mich kurz zu fassen 😉
Sehr zu Beginn meiner Selbstfindungsphase bin ich nicht wirklich „diskret“ damit umgegangen und hab die Mädchen aus meiner Klasse gefragt, ob die sich schonmal damit beschäftigt haben. Kam aber nichts wirklich sinnvolles dabei raus. Ich habe mich auch schon mehrmals in einem Anfall von „ ich bin so stolz auf mich und meine Sexualität“ über meinen WhatsApp Status geoutet, hab’s jedoch immer vor meinen Familienmitgliedern verborgen. Neulich hat mir ein Klassenkamerad, dem ich mich schon anvertraut habe, erzählt das es irgendwer ausgeplaudert hat und es somit die ganze Klasse weiß. Ich werd zwar nicht drauf angesprochen, es aber trotzdem ein komisches Gefühl, so ein bisschen als wüssten alle etwas über mich, trauen sich aber nicht es auszusprechen, was ziemlich blöd ist. Mein Hauptproblem ist jedoch, das mein Klasse unterbewusst und vermutlich unabsichtlich ziemlich homophob ist, bzw. war. Es fallen halt so typische Sachen wie „Schwuchtel“ oder „ no homo“ ( als Versicherung, das eins ganz bestimmt nicht Schwul ist).
Ich hab zwar schon mehrmals drum gebeten es zu lassen und die Lehrer machen auch was, aber es bringt halt nur ein bisschen was. In dem Klima hab ich ehrlich gesagt mich zu outen( ich hoffe das kann ich so sagen, hab mehrmals dieses Wort als etwas negatives gelesen). Meine Lehrer wissen zwar Bescheid und ich bin zumindest was Sexualität angeht auch schon bei meiner besten Freundin geoutet, ist aber trotzdem verdammt unangenehm. Habt ihr noch irgendwelche Tipps?
Liebe Grüße
Luca ( ist jetzt das erste mal das ich den Namen benutze, ist ein merkwürdiges Gefühl)
P.S : Sorry nochmal wegen der Länge und dem Chaos
Hallo Luca,
vielen Dank für deine Nachricht und mach dir keine Sorgen wegen des vermeintlichen Chaos, ich glaube ich steige ganz gut durch! Ich antworte mal Schritt für Schritt auf deine Fragen.
- Mit dieser Frage bist du bei mir ganz richtig, die habe ich mir in meinem Leben auch schon gestellt. Es gibt da keine formal richtige Antwort. Was sich gut anfühlt, wenn du es aussprichst, ist der passende Begriff. Oder eben einfach beide Wörter. Ich hab für mich entschieden, dass queer als Bezeichnung am besten ist, da das ganze viel offen lässt. Eventuell könnte auch der Begriff Polysexuell passen, der beschreibt, dass eins sich zu mehreren Gesclechtern aber nicht zu allen hingezogen fühlt.
- Wenn es um Geschlechtsidentität geht, ist die Frage, ob es überhaupt einen Begriff geben kann, der hunderptozentig passt. Wenn du schon zum Begriff Demi- recherchiert hast, bist du auch über Demiboy und Demigirl gestolpert? Ansonsten gibt es auch noch den Begriff genderqueer. Das ist auch wieder eher ein Überbegriff und wird z.B. von Menschen genutzt, die sich von Zeit zu Zeit unterschiedlich identifizieren oder auch, weil es keine Begriffe gibt, die ganz genau die eigene Identität beschreiben. Vielleicht kannst du dich in die Richtung ja noch ein bisschen weiter umgucken.
- Ich habe den Eindruck, dass du deine Sorge darum, dass du dich uasi “unrechtmäßig” als queer verortest schon selber nimmst. Was du zum queer imposter syndrom gelesen hast könnte ich an dieser Stelle nur wiederholen und dir sagen, dass Menschen ihre sexuelle Orietierung und ihre Geschlechtsidentität kennen, ohne unbedingt verliebt gewesen oder sexuelle Anziehung konkret verspürt zu haben. Genauso ist es mit Dysphorien: einige belasten diese sehr und andere fühlen sich eben relativ wohl mit ihrem Körper. Lass dir dein queer-sein nicht von anderen absprechen!
- In Bezug auf deine Eltern habe ich den Eindruck, dass es dir helfen könnte, erst mal für dich Begriffe zu finden, mit denen du dich gerne beschreiben möchtest. Wenn eins Worte hat, kann eins sich schließlich anderen viel besser mitteilen und das Erklären fällt auch leichter. Dass du in Bezug auf diesen Schritt ein komisches Gefühl hast ist total normal. Bevor du diesen Schritt gehst kannst du dir vielleicht in deinem Freund*innenkreis Unterstützung dafür suchen.
- Die Situation in der Schule klingt ziemlich blöd. Ich kann mir vorstellen, dass es kein gutes Gefühl ist, sich nicht selbstbestimmt geoutet zu haben. Allerdings kannst du immer noch entscheiden, inwieweit du das Thema mit deinen Mitschüler*innen ansprechen willst. Wenn es sich komisch anfühlt, dass alle etwas über dich zu wissen glauben könntest du das Thema z.B. proaktiv noch mal aufbringen. Vielleicht fällt es dann anderen leichter, mit dir darüber zu reden und ggf. Fragen zu stellen (ich lese aus deiner Nachricht heraus, dass dir das mehr Sicherheit geben würde als ein Schweigen). Ich finds super, dass deine Lehrer*innen dich unterstützen und auch das Thema Homo- und Transfeindlichkeit aufgreifen. Das ist etwas, was für dich bestimmt schwer auszuhalten ist, wo du aber nicht die Verantwortung tragen solltest, dass deine Mitschüler*innen sensibilisiert werden.
So, ich hoffe, ich konnte dir an dem ein oder anderen Punkt weiterhelfen. Ich wünsch dir alles Gute für deinen weiteren Prozess 🙂
Rabia