Kummerkastenantwort 924: Vielleicht bin ich männlich?
Liebes QueerLexikon-Kummerkasten-Team,
ich denke gerade wieder über meine geschlechtliche Identität nach. Einige Zeit lang dachte ich, ich hätte das passende Label für mich gefunden, doch jetzt überlege ich, ob es nicht vielleicht unvollständig ist.
Ich bin AFAB, definiere mich als Bigenderflux mit den Gendern weiblich und neutrois und fühle mich mit diesem Label eigentlich auch wohl. Doch nun frage ich mich, ob ich nicht auch gewisse männliche Anteile haben könnte. Und zwar: ich habe mir auch früher schon manchmal gewünscht, dass man Charaktereigenschaften, die gesellschaftlich eher Männern zugeordnet werden, auch bei mir wahrnimmt (das könnte vielleicht aber auch daran liegen, dass ich nicht mit stereotypisch weiblichen Charaktereigenschaften assoziiert werden wollte). Außerdem habe ich heute festgestellt (ich muss aber auch dazu sagen, dass ich mich heute nur ganz ganz wenig weiblich fühle), dass ich es auch mal ganz cool finden würde, gewisse “Männerklamotten” zu tragen, im Grunde nichts dagegen hätte, wenn für mich er-Pronomen verwendet werden würden (wobei, wenn ich jetzt darüber nachdenke, es auch auf viele weitere Pronomen zutreffen würde) und ich es mir irgendwie total cool vorstelle, einen Packer zu tragen, damit im Stehen zu pinkeln und auch Sex zu haben. Auf der anderen Seite aber fühlt es sich aber überhaupt nicht richtig an, wenn jemand zu mir sagen würde “du bist ein Junge”, wobei ich mit “du bist ein Mädchen” leben könnte und es bei mir keine große Gegenwehr auslöst.
Ich weiß, dass ihr mir nicht sagen könnt, ob ich männliche Anteile habe oder nicht und dass die einzige Person, die das wissen und sagen kann, ich bin, aber es würde mir wirklich wahnsinnig helfen, wenn ich eure Meinung dazu sagen könntet.
Viele Grüße und guten Rutsch ins neue Jahr
Lulu (ich probiere diesen Namen heute das erste mal aus um mal zu schauen, wie es sich anfühlt, ihn zu benutzen)
Hallo Lulu,
das praktische an den Dingen, die du aufzählst ist einerseits, dass du sie ausprobieren kannst und andererseits, dass sie dein Geschlecht nicht definieren. Beispiel: Du hast Bock auf “Männer”-Klamotten? Zieh sie an. Sie machen dich nicht mehr oder weniger männlich. Mal er-Pronomen versuchen? Dich online so vorstellen oder Freund*innen bitten das zu testen. Bock auf was in der Hose? Packer organisieren und schauen, was passiert. Yallah.
Das sind alles Sachen, die du unabhängig von der Frage, ob du für dein Geschlecht andere Label haben möchtest, ausprobieren kannst. Und für das Label gilt: Hm! Schwierig. Es gibt so viele Worte und so wenige davon beschreiben Geschlecht und noch weniger scheinen zu passen und wehe dem eins denkt zu lang darüber nach. Das ist nie so richtig einfach. Wenn du sagst, dass die genaueren Zuschreibungen dich aktuell eher verunsichern, kannst du vielleicht auf ein allgemeineres “nicht-binär” zurückfallen.
Liebe Grüße
Xenia