Buch-Rezension: “Gänseblümchen – eine sehr queere Geschichte” von Elias Finley

Eigentlich ist mein Büchergeschmack ziemlich simpel. Er besteht aus zwei Kriterien: Ich will gut unterhalten sein und ich will mich gesehen fühlen. Gar nicht so schwer, oder? Denkste. Das mit der Unterhaltung klappt ja meistens schon ganz gut – die Auswahl ist riesig, und irgendwas, was mir gefällt, findet sich immer. Es ist das Gesehen-Werden, was anscheinend oft zu viel verlangt ist. Für die meisten Leute, die Bücher publizieren, bin ich nämlich leider unsichtbar, so als nichtbinäre Person mit einer ganzen Handvoll komplexer queerer und anderer marginalisierter Identitäten.

Umso erfreuter war ich, als mir Elias Finleys Roman „Gänseblümchen – eine sehr queere Geschichte“ in die Hände gedrückt wurde. Das verrät uns der Klappentext:

Rick mag Blumen, Rosa und Harmonie. Für seine Mitschüler*innen ist der Fall klar – eindeutig schwul. Nur fühlt sich Rick nicht sonderlich schwul, wenn er in Gegenwart der beliebten Auri vor lauter Herzklopfen kein Wort über die Lippen bekommt. Außer Vhyn, seinem nicht-binären liebsten Menschen, weiß das allerdings keine*r, und das ist auch gut so. Auch wenn Rick gerne etwas selbstbewusster sein würde, will er vor allem eines: Ruhe und Frieden.

Als der Rebell Bo neu an seine Schule kommt, ist es damit jedoch schlagartig vorbei. Nicht nur, dass er Rick beklaut und provoziert, wo er nur kann, nein, ausgerechnet der scheint einen besonderen Draht zu Auri zu haben. Das kann doch nicht wahr sein! Als Rick sich entschließt, Bo auf den Zahn zu fühlen, überschlagen sich die Ereignisse…

Ein wunderbar queerer Young-Adult-Roman über Freundschaft, Sex, die große Liebe und was es bedeutet, seine eigene Stärke zu finden.

Aufregend! All meine Lieblings-Tropes des Young-Adult-Genres, und endlich mal so bunt und queer, wie es sonst nur in meiner eigenen Fantasie wird. Und das ganze auch noch von Elias Finley, einem Autor, der selbst queer ist. Obendrauf verlegt von Queer Pack, einem vergleichsweise jungen Verlag, der sich auf Literatur von queeren Menschen für queere Menschen spezialisiert hat. Kein Wunder, dass ich dieses Buch innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe.

Die Charaktere sind liebenswert und herrlich komplex. Schon in den ersten paar Kapiteln konnte ich gar nicht anders, als mich in Rick, Oma Hilde, Vhyn und selbst Bo zu verlieben. (Was soll ich sagen, für gut geschriebene ‚Bad Boys‘ habe ich nun mal eine Schwäche…) Es hat für mich ein bisschen länger gedauert, mit Auri warm zu werden, die wir erst in den späteren Kapiteln so richtig kennenlernen, aber auch sie ist ein ganz großartiger Charakter.

Die Story ist eine gute Mischung aus allem, was ich in einem Jugendbuch suche: Eine große Portion Liebesverwirrungen, eine ganze Menge Selbstfindung, ein bisschen Drama, viel Humor und Charme, und nicht zuletzt auch ein paar ernstere Themen. Eine wunderbare Kombination also.

Umso mehr tut es mir leid, dass das Buch dann letztendlich doch nicht ganz mein Fall war. Gegen Ende des Buches passiert etwas, das für mich sehr triggernd und frustrierend war. Das ist nichts, was ich dem Autor oder dem Buch negativ anrechnen will – im Gegenteil. Es war für mich positiv überraschend, dass hinten im Buch für jedes Kapitel eine umfangreiche Trigger-Liste gegeben hat, die mich auf das vorbereitet hat, was mich in der Geschichte erwartet hat. Das dieser bestimmte Plot-Punkt für mich triggernd war, ist also keine Kritik, sondern erstmal nur eine Feststellung.

Wenn ich irgendwas bemängeln möchte, dann hauptsächlich, dass ich mir an manchen Stellen ein besseres Lektorat bzw. Korrektorat gewünscht hätte. Kleine Zeichensetzungs- und Tippfehler kommen vor und sind nicht weiter schlimm. Aber unangenehm war es, dass Vhyn, der nichtbinäre Charakter, gelegentlich vermutlich versehentlich misgendert wurde. Sier benutzt ab einem gewissen Punkt im Buch die Neopronomen sier, der Text rutscht aber manchmal ab in die vorigen sie-Pronomen. Das war manchmal etwas unangenehm. Trotzdem ist es natürlich schön, dass der Autor sich an Neopronomen gewagt hat – das habe ich sonst in noch keinem anderen Buch gesehen! – und letztlich sind solche Pronomen auch Übungssache. Hoffentlich kann das in einer späteren Auflage noch korrigiert werden.

Mein Schluss-Fazit bleibt trotzdem: dicke Empfehlung für dieses Buch! Ich bin mir sicher, eine Menge Leute werden darin genau das finden, was sie suchen. Und auch ich bin meinem Ziel, ein Buch ganz nach meinem Geschmack zu finden, durch „Gänseblümchen“ näher gekommen.

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