Kummerkastenantwort 2.992: Wie soll ich wissen, ob ich eine Frau bin, wenn ich nicht weiß, was eine Frau ist?

Hallo liebes team- erstmal danke für die tolle Arbeit die ihr macht. Ich habe eine komplizierte Frage.

Was ist Geschlecht? Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger weiß ich. Als würde alles, was man glaubt, was es ist, zwischen den Händen zerfließen.

Ich denke, wir sind uns einig, dass der Körper nicht das Geschlecht bestimmt oder eher gesagt, einem Körper ein Geschlecht zuzuschreiben, unsinnig und transfeindlich ist.

Was bleibt dann: Das, was die Gesellschaft darunter versteht, was eine Frau oder ein Mann “ist”. Also: Die typische Frau steht auf Männer, bekommt Kinder, Frauen werden beschützt, von Frauen wird angenommen, dass sie gerne Kleider tragen und sich schminken… Aber trotzdem gibt es Millionen Frauen, auf die nichts davon zutrifft. Es sind halt nur Klischees. Einige tun das, andere nicht. Und Klamotten, gender expression muss ja nichts für die Identität bedeuten.

Also bleibt nur: Das innere Gefühl, dass dieses Wort auf mich zutrifft oder nicht. Ich bin eine Frau, wenn ich es selber sage. Aber wie soll ich etwas sein, von dem ich nicht mal weiß, was es ist, wenn das Wort offenbar nichts bedeutet außer dem, was die Gesellschaft darunter versteht? Und wenn ich mich damit nicht anfreunden kann, bin ich dann sexistisch und “not like other girls” oder bin ich keine Frau? Aber was bin ich dann “nicht”, wenn “Frau” eigentlich an sich gar keine Kernbedeutung HAT außer den Klischees und Geschlechterrollen. Wenn ich sage, ich entspreche diesen Erwartungen nicht und bin deshalb keine Frau, wird dann nicht der Begriff immer mehr verengt, sodass darunter kein Platz mehr für gender-nonconforming Frauen ist? Oder ist es legitim, von einem Konzept wegzulaufen, wenn es mir zu eng wird? (Hab aber iwie auch Angst davor, nicht cis zu sein).
Wie soll ich wissen, ob ich eine Frau bin, wenn ich nicht weiß, was eine Frau ist?

LG smiley09

Hej smiley09,

weißt du, genau über diese Gedanken bin ich am Ende zu dem Schluss gekommen, dass ich eben keine Frau bin. Nachdem ich für mich dieses ganze Geschlechterstereotypensystem dekonstruiert hatte, war da nichts mehr übrig, was für mich Sinn ergeben hat. Also habe ich mir die Alternativen angeschaut – und wie befreiend es war, dass es eben so viel mehr gibt, und ich mich in keine Rollen reinzwängen muss, ich mich nicht mit etwas identifizieren muss, hinter dem ich nicht stehe.

Menschen, die gender-nonconforming sind, sind sich allermeistens ihrer Genderidentität ziemlich sicher – egal eben, welchen Ausdruck sie nach außen hin wählen. Menschen, die ihr Geschlecht sehr in Frage stellen, sind meistens nicht nur gender-nonconforming, sondern bewegen sich häufig irgendwo im trans Spektrum.

Dass es Angst macht, nicht cis zu sein, kennen viele Menschen auf dem Weg zu ihrer eigenen Identität. Natürlich macht es Angst, nicht mehr Mehrheitsgesellschaft zu sein, möglicherweise verletzbar gemacht zu werden von außen. Aber es ist auch so sehr befreiend, einfach man selbst sein zu können. Deine Ängste, deine Sorgen, deine Zweifel sind alle valide. Aber genauso sind es deine Zweifel an Geschlecht und an dem, wie du bisher gelebt hast. Und ja, vielleicht bist du trotzdem das, als was du bisher gelebt hast. Aber vielleicht auch nicht. Und es ist okay, wenn du diesen Gedanken zulässt um ihn offen zu erforschen und dich darin auszuprobieren.

Übrigens haben auch andere Mitglieder des Teams gesagt, dass sie deine Gedanken kennen – von vor der Transition, und diese Gedanken sie lange an der Transition gehindert haben. Wie gesagt: Lass die Gedanken mal eine Weile zu, und schau wo sie dich hinführen.

Liebe Grüße,
Valo

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