Kummerkastenantwort 5.527: Bin ich nicht-binär oder verzerrt mein Autismus meine Geschlechtswahrnehmung?

Liebes Kummerkasten-Team,

Vielen Dank für eure tolle und wertvolle Arbeit! 🙂

Ich habe eine Frage zu meiner Geschlechtsidentität. Ich habe vorletztes Jahr meine Autismus-Diagnose erhalten. Damit einhergehend hat sich mir direkt offenbart, dass ich mich nicht als Frau fühle, ohne im Internet etc. etwas darüber zu lesen (bin afab). Es hat einfach Klick gemacht.

Ich dachte erst, ich wäre schwul (eine schwule Frau?!) und bin dann über googeln auf das Label nicht-binär gestoßen und wusste sofort: das bin ich.

Dann habe ich mich direkt gefragt, warum es so lange für mich gedauert hat und warum meine Autismus-Diagnose damit zusammenhängen zu scheint, bis ich das endlich gecheckt habe.



Langfristig habe ich mich aber dann gefragt, ob der Autismus jetzt meine Geschlechtswahrnehmung bedingt oder umgekehrt und was zuerst da war. Quasi ein Henne-Ei-Problem. Ich weiß einfach nicht, ob ich wirklich nicht-binär bin oder, ob der Autismus nur meine Geschlechtswahrnehmung verzerrt. Ich weiß auch, dass es Begriffe wie autigender und neuroqueer gibt, um evtl. genau das zu beschreiben. Als Mensch ist der Autismus ja nicht von mir zu trennen, daher wahrscheinlich auch nicht mein Geschlechtsempfinden oder? Ich bin einfach so langsam aufgeschmissen, weil ich im Internet auch im englischsprachigen Raum nur Studien dazu finde, dass autistische Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit queer sind, aber keine hilfreichen Antworten warum das so ist oder was hier was bedingt. Ich hoffe ihr versteht meine Verunsicherung.

Liebe Grüße

Hey,

bei mir war es umgekehrt, ich habe erst verstanden, dass ich nichtbinär bin und ein Jahr später, dass ich autistisch bin. Tatsächlich finde ich es sogar sehr logisch, dass so viele autistische Menschen queer sind, insbesondere trans und oder nichtbinär. Als Autist*innen hinterfragen wir viel eher soziale und gesellschaftliche Normen und Normativitäten, weil wir ihnen oft nicht entsprechen, wir entdecken darin keine Logik und dekonstruieren sie so für uns selbst. Dass das auch vor einem Konstrukt wie Geschlecht nicht Halt macht, ergibt also total Sinn. 

Als du also deine Diagnose bekommen hast, war das vielleicht auch (unterbewusst) eine innere Erlaubnis an dich selbst, zuzulassen, mehr zu dekonstruieren – und dann kam ein Bewusstsein über dein Geschlecht auf. Vielleicht war es aber auch einfach Zufall, am Ende werden wir das nicht herausfinden können. So oder so: Es ist okay so. Egal, wie es nun dazu kam, macht es dich ja nicht weniger nichtbinär, wenn du dich in diesem Label ganz klar wiederfindest.

Liebe Grüße
Valo

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