Kummerkastenantwort 2.602: Ich will mich als trans outen.

Hallo,

ich habe mich in den letzten Jahren immer versucht selber zu finden und glaube an einem Punkt angekommen zu sein wo ich endlich sicher bin wer ich bin.
Ich habe mich vor einer Woche bei meiner besten Freundin als trans geoutet und es lief besser als ich es erwartet habe:)
Allerdings finde ich es immernoch schwierig darüber zu sprechen. Ich hab ihr bei meinem coming out schon vieles erzählt, allerdings eben noch nicht alles was ich eigentlich wollte. Ich weiß allerdings nicht so recht wie ich es aufgreifen soll.
Etwas weiteres was mich beschäftigt ist das coming out bei meiner Mutter. Ich weiß leider, dass sie transphob ist aufgrund Kommentare gegenüber öffentlichen Personen. Allerdings finde ich es sehr schwierig ohne sie meinem Weg einzuschlagen um entsprechende Maßnahmen vorzunehmen (Therapie, Gutachten etc.). Ich weiß nicht weiter.

Vielen Dank fürs lesen:)
– Elio

Halo Elio,

herzlichen Glückwunsch zu deinem Coming Out!

Manches kommt irgendwann. Vielleicht auch nebenbei. Anderes ist besser aufgeschrieben und zugesteckt. Manches ist vielleicht auch gar nicht so wichtig, wie es sich anfühlen mag. Was ich sagen will: Auch, wenn es sich vielleicht anfühlt, als hätte es viel mehr zu sagen gegeben: vielleicht muss es das jetzt noch nicht – oder es findet seinen Weg. Und auch, wenn es leicht gesagt ist: zerbrich dir darüber nicht den Kopf.

Die Sache mit deiner Mutter erscheint mir etwas verfahren. So sehr du sie dabei haben möchtest, so sehr hast du gleichzeitig ein gewisses Risiko, dass da ein Coming Out nicht so gut laufen wird. Auch wenn es immer wieder vorkommt, dass Eltern bei ihren Kindern entsprechende Vorurteile reflektieren und zurücklassen, die sie sonst gegenüber queeren Personen zeigten, gibts da am Ende keine Garantie drauf. Es kann also sein, dass deine Option letztlich ist, da allein durchzumüssen, weil du kein Coming Out bei deiner Mum hattest, oder weil du eines hattest, aber sie das nicht akzeptieren will. Das ist bisschen shitty, bedeutet es doch, dass du, egal wie du es angehst, ein Ergebnis haben kannst, das du explizit nicht wolltest.

Was also tun? Nun. Gibt einen optimistischen Ansatz. Coming Out versuchen und im Idealfall hast du beides, was du wolltet: Transition und den Rückhalt deiner Mutter. Oder du hast wenigstens eine Transition, weil am Ende wird’s schwierig, dir den Zugang zu leitliniengerechter medizinischer Versorgung zu verwehren. Es gibt einen pessimistischen Ansatz. Du versucht das Coming Out nicht, sparst dir möglicherweise Stress und Verletzlichkeit und leitest deine Transition in die Wege. Hier ist der beste Fall der schlechteste aus der optimistischen Variante (vielleicht etwas entspannter). Oder als theoretische dritte Variante kannst du auf beides verzichten. Damit hast du am Ende weniger als im schlechtesten aller anderen Varianten. In einer reinen Betrachtung, was hinten rauskommt, kannst du also auf jeden Fall eine Transition haben. That’s something. Und darüber, was andere Menschen tun oder nicht tun, hast du jetzt am Ende auch keine Entscheidung. Ich weiß schwierig bleibt das.

Viele Grüße
Xenia

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