Kummerkastenantwort 1.987: Wieso kann ich nicht entweder cis oder trans sein?

Liebes Kummerkastenteam,

Ich weiß schon seit einiger Zeit, dass ich weder cis noch hetero bin. Ich würde mich wohl in beiden Fällen als bi bezeichnen. Wenn es dabei um die Sexualität geht habe ich auch kein Problem damit. Ich kenne mich inzwischen so gut, dass ich weiß, dass ich bisexuell und heteroromantisch bin.
Wenn es aber um das Geschlecht geht, dass ich mir selbst zuordne kommen die Probleme.
Einige Freunde wissen, dass ich bigender bin. Meine Familie weiß zum Teil auch, dass ich nicht cis bin (zumindest soweit ich das erklären konnte, ohne, dass alle direkt davon ausgegangen wären, dass ich komplett trans* bin).
Aber ich fühle mich manchmal so verdammt kacke, „weder Fisch noch Fleisch“ zu sein, wie man so schön sagt.
Ich war schon bei allen Möglichen begriffen. Von Genderfluid zu girlfag und dann hin zu bigender. Ich denke auch, dass bigender mein Gefühl am besten beschreibt. Ich bin sowohl ein bisexueller Mann als auch eine bisexuelle Frau.
Und genau da setzt es an.
Ich wäre so gerne hin und wieder einfach genau eins. Wieso kann ich nicht entweder cis oder trans sein? Also trans in dem Sinn, wie die Gesellschaft es sich vorstellt? Mann oder Frau? Und nicht beides… Ich fühle mich, je nachdem mit welchen Leuten ich rumhänge in keine Geschlechtergruppe passend. Ich bin kein Mädchen, zumindest kein komplettes. Ich seh mich hin und wieder in der Zukunft als Hausfrau mit Kindern und einem Mann (ich meine, ich habe derzeit auch eine Beziehung, so ist es nicht).
Ich passe aber auch nicht in die Jungsgruppe. Einfach, weil mir da selbst vor Augen geführt wird, dass ich keiner bin. Und ich habe ja auch EIGENTLICH kein Problem damit – wie gesagt… eigentlich.

(es ist leider zu lang… ich schreibe in der nächsten Beichte weiter…)
Tut mir leid, dass es so lang ist… ich bin nur froh, dass alles mal losweden zu können…

R

Hier geht die vorherige Beichte weiter:

Ich habe keine Dysphorie im direkten Sinn, ich mag meine Brüste, auch wenn sie von Zeit zu Zeit gerne weg sein könnten (da kommt der Typ in mir durch). Ebenso mag ich das weibliche Geschlechtsorgan (wenn man da von mögen sprechen kann), aber das eben auch nur so lange, wie nicht die männliche Seite nicht die Überhand nimmt.
Ich weiß nicht mehr was ich machen soll…
Ich könnte heulen, während ich das hier alles schreibe nur weil diese Situation so auswegslos ist….
Ich weiß, dass ihr hierbei absolut nichts machen könnt und dieses Gefühl nichts halbes und nichts ganzes zu sein, werde ich vermutlich auch nicht so bald loswerden, aber ich will das hier einfach mal alles loswerden…
Alles was sich so angestaut hat.
Am liebsten würde ich so zwischen den Körpern switchen können, wie ich zwischen den Gefühlen switche…
Aber erstens habe ich keine Ahnung ob das überhaupt funktionieren würde und wenn dann wie
Und zweitens wüsste ich nicht, wie ich das meinem Umfeld klar machen soll…
Hier sind zwar alle tolerant, zumindest was die Sexualität angeht (wofür ich sehr dankbar bin) aber wie das mit dem Geschlecht aussieht (solange es nicht wirklich komplett cis oder trans ist) weiß ich leider nicht und kann ich auch absolut nicht einschätzen…
Es fühlt sich an als würde ich zeitweise zwei Leben führen wollen… Eins als ich, so wie ich momentan bin: weiblich, bisexuell, mit meinen Freunden, meinem Partner und meiner Familie (so fühle ich mich die meiste Zeit) und eins in dem ich einfach mänlich sein kann…. Aber so funktioniert es eben nicht…

Ich könnte glaube ich noch ewig so weiter machen… Aber ich möchte mich weder andauernd wiederholen noch euch komplett zutexten in dem Wissen, dass sowieso wenig gemacht werden kann.

Trotzdem danke ich euch für euer offenes Ohr (auch wenn ihr das alles hier freiwillig lest).
Vielen Dank.

R

Hallo R.,

also, streng genommen lesen wir das alles schon sehr freiwillig, wir arbeiten alle ehrenamtlich hier. 😀
Zu deinen Gefühlen: Mir hat es geholfen, mit Microdosing Testo anzufangen. Aber ich weiß natürlich nicht, ob das für dich auch eine Lösung wäre. Aber bei mir ging dadurch dieses „ich bin nichts halbes und nichts ganzes“ in ein „ich bin etwas Ganzes, aber es ist anders als gedacht“ über – auch nicht immer gut, aber besser als vorher.

Vorher hatte ich auch dieses Gefühl, von dem du schreibst (und habe es teilweise immer noch manchmal), weil es sehr unfair ist, dass wir (im Großen und Ganzen) nichtbinären Menschen keine Möglichkeit in diesem Geschlechtersystem haben.

Aber vielleicht die Generationen nach uns. Irgendwann.

Ich wünsche dir das Beste

Fluff

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