Kummerkastenantwort 479 – Verdränge ich mein trans-sein um Erwartungen zu erfüllen?

Hallo ihr Lieben,
ich bin Mitte Dreißig und habe mich schon immer falsch gefühlt. Das Problem war, ich konnte es nie definieren und bin auch in einer Familie groß geworden in der Gefühle und das eigene Ich nie eine Rolle gespielt haben. Ich erinnere mich daran, dass ich bereits als kleines Kind zu den Jungs gehören wollte. Ich war mega froh, als ich mir die Haare rasieren durfte und sogar von einer Bekannten von meinen Eltern für einen Jungen gehalten wurde. Bis heute fühle ich mich den Jungen / Männern zugehörig. Ich fühle mich in meinem Körper nicht wohl. Ich mag meinen schlanken Bauch, aber hasse meine Brüste. Ich fühle mich selbst überhaupt nicht und frage mich schon länger, ob ich trans bin. Aber ich bin, soweit ich mich erinnern kann, nie mit dem Wunsch aufgewacht ein Junge zu sein. Aber ich erinnere mich daran, bereits im Kindesalter, depressive Gefühle gehabt zu haben und auf Schulfreunde neidisch gewesen zu sein. Ich habe meine Pupertät durchlebt. Ich war immer unzufrieden, aber wusste nie wieso. Ich dachte ich mag meine Brüste nicht, weil sie zu klein für eine Frau sind. Heute merke ich, ich will überhaupt gar keine Brust haben. Es gab aber auch Momente in meinem Leben in denen ich mich gut gefühlt habe, weil ich anscheinend, auf andere Männer attraktiv wirke. Ich weiß heute nicht, ob ich nur weiblich attraktiv sein und in das Klischee passen möchte, weil ich so erzogen wurde (‚du bist nur gut, wenn du dich so verhälst wie wir es gerne hätten‘ ) oder ob ich vllt wirklich unzufrieden mit meinem Geschlecht bin. Also egal was ich google ich finde keine Antwort.
Ich wäre sehr dankbar über eine Rückmeldung, wie ihr das ganze seht. Ich frage mich halt, ob ich wirklich trans sein kann und es so lange unterdrücken konnte ohne es bis heute konkret zu spüren.
GLG

Hi!

Der Wunsch, ein anderes Geschlecht als das zu haben, dass dir bei Geburt zugewiesen wurde, ist nicht immer so leicht als solcher zu erkennen. Dass Mädchen und jungen Frauen eingeredet wird, dass sowieso jeder seinen Körper hasst, macht’s da auch nicht einfacher.

Aber was du beschreibst, klingt für mich schon nach Dysphorie (Unwohlsein mit Körper und Brüsten), aber auch insbesondere Euphorie (das gute Gefühl für einen Jungen gehalten zu werden und die Zufriedenheit mit den kurzen Haaren). Und wenn du solche Gefühle hast und dir diese Fragen stellst, ist die Chance sehr, sehr groß, dass du nicht cis bist.

Ich würde dir empfehlen, weiter auszuprobieren, was dir gut tut. Das kann zum Beispiel über das Ausprobieren von anderen Pronomen oder einem anderen Namen in einem geschützten Rahmen sein, mit einem Binder testen, ob es dir mit deinem Körper besser geht, wenn du weniger Oberweite hast (achte da aber bitte auf sicheres binden!), etc.

Nach deiner Schilderung halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass du trans bist, aber letztlich kannst das nur du selbst herausfinden. Viel Erfolg dabei und melde dich mit neuen Fragen oder Erkenntnissen gerne wieder bei uns!

Liebe Grüße
Lir

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