Kummerkastenantwort 500 – Wie erziehe ich meine Eltern zu einem transfeundlicheren Weltbild?

Hey,
Als erstes Mal wollte ich mich für eure Arbeit bedanken. Ich glaube ich spreche hier für alle, dass ihr wirklich großartige Arbeit leistet. Jetzt aber zu mir.
Ich bin trans männlich und meine Eltern naja die kommen damit nicht so klar. Manchmal geht es mir sehr gut und manchmal will ein einfach nur weg von dieser Welt. Zum Glück habe ich einen Binder und Freunde die mich unterstützen aber es ist trotzdem sehr schwer für mich auch wegen Corona. Meine Eltern verstehen aber einfach nicht das es mir schlecht geht. Sie waren zu gar schon bei einer Beratungsstelle die ihnen empfohlen hat mich zu einem Psychologen zu schicken. Die Wartelisten bei Psychologen sind meist sehr lang und ich kann nicht darauf warten. Mir würde es extrem besser gehen wenn ich mich endlich überall outen könnte und das würde ich auch sofort machen doch ich traue mich nicht wegen meinen Eltern. Mein Vater ist religiös und ich hatte auch schon ein langes Gespräch mit ihm wobei herausgekommen ist das er das alles mit seiner Religion nicht vereinbaren kann wegen ja man wurde so geboren , Gott hat das so bestimmt ect. Er würde mir auch nicht erlauben mit Hormonen zu beginnen das heißt ich bin bis ich 18 bin in mir gefangen. Ich bin 14 und ich bin sicher so lange werde ich es nicht schaffen.
Zusammengefasst ich weiß einfach nicht was ich jetzt machen soll und hoffe das ihr mir vielleicht einen Tipp geben könnt.
Tschüss

Hallo,

ich lese vor allem drei Sorgen aus deinen Fragen heraus: Lange Wartezeiten auf Psychotherapeut*innen, fehlende Unterstützung und fehlende Toleranz von deinem Vater und lange Wartezeiten für Hormone.

Wartezeiten auf Psychotherapeut*innen

das ist insgesamt ein bisschen ein ärgerliches Ding in Deutschland. Die Nachfrage nach Psychotherapie ist in den letzten Jahren gestiegen, die Anzahl derer, die sie anbieten, nicht. Dadurch schauen nicht nur Personen, die trans sind, und Unterstützung und Rat suchen in die redensartliche Röhre. Durch eine recht neue Regelungen sollen Psycholog*innen aber für neue Menschen einzelne zeitnahe Sprechstundentermine anbieten, um Bedarf besser abschätzen zu können. Gegenüber Krankenkassen ist auch hilfreich, Absagen von Therapeut*innen schriftlich zu verlangen. Bei genug Absagen sind die Kassen rechtlich verpflichtet, auch Kosten für Therapeut*innen, die keine Kassensitze haben, zu übernehmen.

Eltern

Es ist ziemlich nachvollziehbar, dass du dir von deinem Vater Unterstützung und Sicherheit wünschst. Und eigentlich solltest du die als sein Kind auch bekommen. Religion dürfte dem nicht im Weg stehen. Denn wenn Gott dich gemacht hat, und du trans bist, dann hat Gott dich wohl trans gemacht. Unter der Annahme, dass Religion hier christliche Religion ist, hilft vielleicht auch die Aussage einer Person, mit abgeschlossenem Theologiestudium und einer Pfarrstelle. So jemand ist Klaus-Peter Lüdke, der über seine Erfahrung, dass eines seiner Kinder trans ist, ein Buch schrieb. Es heißt: Jesus liebt trans und ist im Prinzip überall, wo es Bücher gibt, zumindest auf Bestellung zu haben. Ansonsten hilft wie viel zu oft leider nur Geduld.

Warten auf Hormone

Auf Hormone warten müssen kann, gerade wenn die erste Pubertät noch nicht zu Ende ist, super frustrierend sein. Dann passieren sehr viele Dinge, die später für gutes Passing hinderlich sind. Unter 18 Jahren gibt es in Deutschland in der Regel allerdings auch gar keine Hormone – insofern wirst du dich da so oder so gedulden müssen. Was aber möglich ist, ist die Gabe von Pubertätsblockern. Da gibt es viele Vorurteile zu, ein Blick in die Niederlande, wo das bei Kindern und Jugendlichen, die trans sein könnten, seit Jahren gängige Praxis ist, zeigt aber, dass die meisten davon unbegründet sind. Der große Vorteil: Du gewinnst Zeit. Und sollte sich wirklich rausstellen, dass du eigentlich gar nicht nicht trans bist, kannst du sie absetzen und hast dann eine Pubertät, nur eben später. Oder es stellt sich raus, dass du wirklich trans bist, dann kannst du später nahtlos in eine Hormontherapie einsteigen. Vielleicht kannst du deine Eltern davon überzeugen. Oder du sprichst deine Hausärzt*in mal drauf an.

So. Ich hoffe das war halbwegs hilfreich. Liebe Grüße
Xenia

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