Kummerkastenantwort 717 – Soll ich mich im Internat outen?
Hallo!
Ich hab ein Problem bezüglich meines Outings in der Schule bzw. in meinem Internat. Ich bin Transgender (ftm) und auch bei manchen Leuten aus meiner Schule schon geoutet. Wir haben 6 Internats Häuser und ich verstehe mich nur mit wenigen in meinem Haus, weil dort einge Homo- und Transphobe Leute sind, wegen denen ich mich bis jetzt nicht getraut habe, mich zu outen. Ich werde von denen schon als scheiß lesbe oder transe beschimpft und halte es nicht mehr aus. Ich bin in der 10. Klasse und gehe nach der 10. auch wieder weg vom Internat. Ich weiß nicht ob ich mich bis dahin dadurch quälen soll oder was ich sonst tun soll. Könnt ihr mir da irgendeinen Rat geben?
LG.
Hallo lieber Mensch,
ob du dich outen sollst oder nicht, diese Entscheidung kann dir leider niemensch abnehmen, auch wenn es noch so schwer ist. Es tut mir sehr leid, dass du in dieser Situation steckst, und es ist verständlich, dass die Frage nach dem Coming Out in einem so diskriminierenden Umfeld keine leichte ist.
Vielleicht gibt es aktuell für dich keine Möglichkeit, deine Situation super gut zu machen, aber bestimmt gibt es ganz viele Optionen, um dein letztes Schuljahr dort für dich so gut wie möglich zu machen. Ich sehe verschiedene Optionen:
Kein Coming Out
Zum einen könntest du dich entscheiden, dich nicht zu outen. Wenn du ohnehin schon Diskriminierung und Hass erfährst, ist das vielleicht die aktuell sicherste Variante für dich. Das bedeutet aber nicht, dass du in dieser Zeit alles über dich ergehen lassen musst. Du kannst z.B. mit den Leuten reden, bei denen du schon geoutet bist, und sie um Unterstützung bitten, damit sie sich für dich einsetzen können. Du kannst vllt. auch mit Lehrer*innen darüber sprechen, falls es welche gibt, denen du vertraust. Vielleicht gibt es ja sogar sowas wie eine*n Vertrauenslehrer*in oder Schulpsycholog*in bei euch? Du musst dich bei diesen Menschen nicht unbedingt outen – das verletzende Zeug, was die anderen sagen, ist so oder so nicht in Ordnung. Es ist die Aufgabe von Lehrer*innen, bei solchen Situationen einzuschreiten und deutlich zu machen, dass Diskriminierung nicht geduldet wird. Und ich weiß nicht, wie eure Internatshäuser funktionieren, aber vielleicht kannst du ja auch für dieses Schuljahr in ein anderes Haus wechseln?
Coming Out
Wenn du den Eindruck hast, dass ein weiteres Jahr ungeoutet zu quälend für dich ist, dann ist es vielleicht doch eine gute Option, dich zu outen. Auch da hast du verschiedene Möglichkeiten. Wenn du schon Leute hast, die bescheid wissen und die dir den Rücken stärken, dann können die dich auch begleiten und bestärken bei deinem Coming Out. Sie können z.B. mitkommen, wenn du mit Lehrer*innen redest und/oder dich vor deiner Klasse und/oder deinem Haus outest. Das kann helfen, weil du dann schonmal weißt, dass du Leute auf deiner Seite hast. Mit einem Coming Out wird es vllt. sogar leichter, Lehrer*innen mit ins Boot zu holen, die dich unterstützen und dich vor angreifenden Sprüchen schützen können. Leider ist ein Coming Out keine Garantie dafür, dass diskriminierende Sprüche aufhören – es kann nur manchmal sein, dass Leute weniger Angriffsfläche haben, wenn du offen zu dir stehst.
Was nun?
Wie gesagt, leider musst du selbst entscheiden, was du tun willst. Wichtig ist vor allem: Du schuldest niemandem ein Coming Out. Du darfst deine Entscheidung so treffen, dass sie dir gut tut (oder eben so gut wie möglich), und dein Wohlergehen ist das wichtigste.
Ich hoffe, du findest eine gute Lösung für dich. Wenn du mehr Fragen hast oder erzählen möchtest, wie es dir ergangen ist, kannst du uns jederzeit gern wieder schreiben!
Viele Grüße,
Balthazar