Kummerkastenantwort 1.514: Ein Kind das ich betreue trägt gerne Mädchenklamotten

Hallo liebes Queerlexikon-Team

Ich bin Pädagogin in einem Kindergarten und wir haben einen Buben, der immer wieder liebend gern Kleider und Röcke trägt. Bisher war das kein Problem. Im Team und bei den anderen Kindern ist er so akzeptiert, wie er ist.
Vor kurzem hatte er Gerburtstag. Wir haben im KiGa gefeiert und wollten dann ein Geburtstagsfoto machen. Da fängt er an zu weinen und sagt, er mag kein Foto machen. Auf die Frage, was denn los sei, antwortet er, seine Mama (alleinerziehend) habe ihm gesagt, er sei jetzt groß und schon ein kleiner Mann und deshalb würde er nur noch “Bubensachen” anziehen. Sie hätte auch alle seine Kleider und Röcke weggegeben.
Wir habens dann geschafft, den Buben zu trösten und nachdem ein Mädl vorgeschlagen hatte, er könne sich ja für das Photo ein Kleid von ihr ausleihen, hat er sich auch sehr über das Foto gefreut.
Das Thema beschäftigt ihn aber sehr und er weint darum immer wieder mal.

Ich habe schon mit der Mama gesprochen und ihr geschildert, wie sehr das Thema ihr Kind beschäftigt und sie gefragt, warum er mit 5 keine Kleider und Röcke und mehr tragen darf, wo es vorher doch OK war.
Sie sagte, sie wolle nicht, dass ihr Sohn gemobbt wird.
Daraufhin habe ich ihr erzählt, wie die anderen Kinder damit umgegangen sind und dass das bei uns allgemein akzeptiert war.
Sie entgegnete, das wäre ja nur, weil er noch so klein war, aber das werde sich schnell ändern. Spätestens in der Schule. Für sie komme es jedenfalls nicht in Frage, ihren Buben länger in “Mädchensachen” rumlaufen zu lassen.
Ich habe ihr gesagt, dass ihr ihre Sorge verstehen kann, aber dass ich es sinnvoller fände, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken, damit es sich traut, so zu sein wie es ist, auch wenn das manchmal schwierig ist, anstatt ihm zu lehren, dass man sich anpassen muss um akzeptiert zu sein, denn auch das ist keine Garantier gegen Mobbing.

Hab ihr weitere Argumente oder eine Idee, wie ich dem Buben helfen kann?

Danke schon mal und ganz liebe Grüße ♥

Hallo,

vielen Dank für deine Nachricht und deine Bemühungen um das Kind!

Auf einer argumentativen und konstruktiven Ebene ist das super schwierig und ich denke, das haben du und dein Team hier sehr gut gemacht. Es ist, auf einer gesellschaftlichen Ebene auch super albern (und toxisch), dass Kinder bereits in so jungem Alter so sehr in geschlechtliche Rollen und Klischees hineingezwungen werden.

 In meinen Augen ist das, was die Mutter hier macht, auch aus der Perspektive von elterlicher Fürsorge und Kinderschutz vorsichtig gesagt schwierig. Ein affirmativer Ansatz, wie du ihn ja auch schon beschrieben hast, halte ich auch für deutlich zielführender. Und es eskaliert vermutlich super schnell aus einer zielführenden Debatte heraus, das auch so zu benennen, weil es sicher super schnell als Drohung wahrgenommen wird, wenn aufgezeigt wird, dass das, was da praktiziert wird, dem Kindeswohl eher entgegensteht.

Und ich wünschte, ich könnte was verlässlicheres de-eskalativeres anbieten, aber aus unseren Erfahrungen heraus, wie schwierig es ist, später mit damit umzugehen, ist mein vorsichtiger Rat wohl zu überlegen, wie viel Energie du zu investieren bereit bist, und das notfalls eben in der Richtung tatsächlich zu eskalieren. Wieso? Angenommen die Person ist so, weil sie tatsächlich trans ist. Wenn es dabei bleibt, dass ihr verboten ist, zu tragen, worin sie sich wohlfühlt, ist das auch die direkte “Fahrkarte” in und durch eine super belastende Pubertät – ohne angemessene psychologische Unterstützung (und erst recht ohne Hormonblocker, um die Entscheidung für wie die Pubtertät verlaufen soll, lange genug aufschieben zu können, bis die Person sie selbst sicher treffen kann). Und davor würde ich Menschen, wenn ich eine Chance dazu hätte, jederzeit bewahren wollen.

Liebe Grüße
Xenia

PS: vielleicht ist eine gute Idee, auch mal beim Trans-Kinder-Netz anzufragen. Das hat in der alltäglichen Arbeiten mit trans Kindern (und deren Eltern) mehr Erfahrung und vielleicht auch gute Tipps.