Kummerkastenantwort 1.546: Meine Dysphorie wird immer schlimmer.

(Tw: Dysphorie, Hoffnungslosigkeit)

Hilfe!
Meine Dysphorie wird jeden Tag schlimmer und ich weiß nicht was ich machen kann. Ich habe das Gefühl ich brauche Zeit um herauszufinden wer ich bin und gleichzeitig habe ich das Gefühl keine Zeit zu haben, weil die Dysphorie eben immer schlimmer wird. Und auch die Aussicht auf eine eventuelle Operation ändert irgendwie nichts daran. Weil das noch so lange hin ist. Ich mag einfach nicht mit diesen bescheuerten Brüsten leben und in letzter Zeit frage ich mich immer öfter wann der Tag kommen wird an dem ich auch nicht mehr mit ihnen leben kann. Ich habe einfach das Gefühl ich habe keine Zeit und das stresst mich und bringt mich aus der Ruhe und hält mich davon ab irgendetwas zu tun.
Was kann ich tun um die Dysphorie wenigstens so weit zu lindern, dass ich damit leben kann, bis ich meine Brüste wegoperieren lassen kann?
Danke, dass es euch gibt. Ihr helft so vielen Menschen und schenkt Hoffnung und es ist schön, dass es euch gibt.
Alles liebe
Alex

Hallo Alex,

ich sag jetzt mal ganz unverblümt wie es ist: Dysphorie ist ganz große Kacke. Tut mir echt leid, dass du damit so zu kämpfen hast und dass es noch so lange hin ist, bis du eine OP kriegen kannst. Ich wünschte, ich hätte einen magischen Zauberspruch, der alle Dysphorie verschwinden lassen würde, aber sowas gibt es leider nicht. Stattdessen hab ich nur ein paar kleine Tipps, die mir mit meiner eigenen Dysphorie helfen, in der Hoffnung, dass darunter auch für dich was Hilfreiches dabei ist.

  1. Klamotten, in denen du dich wohl fühlst. Für mich macht es einen riesigen Unterschied, was ich trage. Manchmal tut es einfach total gut, in einem übergroßen T-Shirt oder Pulli zu versinken, in meiner Lieblingsfarbe oder mit einem witzigen Muster oder Motiv drauf. Manchmal macht es auch Spaß, was Enges, Glitzerndes anzuziehen und so zu tun, als wäre ich in einer perfekten Drag-Performance. Welche Klamotten dir am meisten ein Gefühl von Sicherheit geben, kannst nur du rausfinden.
  2. Freund*innen und ein Umfeld, das dich akzeptiert. Weil die Gesellschaft mich viel zu oft in irgendwelche Boxen drängen will, in die ich nicht reinpasse, tut es oft einfach gut, Leute zu haben, die mich so annehmen, wie ich bin. Egal, ob im Internet oder IRL. Es ist super hilfreich, Leute auf meiner Seite zu haben, die ich nicht erst von meinem Geschlecht überzeugen muss, und die wissen, wer ich wirklich bin, egal, wie ich aussehe. Mir hilft vor allem, wenn das andere trans Menschen sind, die wissen, wie ich mich fühle.
  3. Drüber reden. Ich tendiere oft dazu, schmerzhafte Gefühle eher runterzuschlucken oder zu verdrängen. Aber manchmal einfach darüber reden zu können, wie beschissen sich etwas anfühlt, kann extrem befreiend sein. Und dann von anderen zurückzuhören, „ja, ist echt beschissen“, und/oder Trost zu bekommen, tut dann einfach gut. Mit wem du drüber reden willst, ist deine Sache. Freund*innen, Therapeut*innen oder auch nur ein Tagebuch oder Blog/Social-Media-Post (mit entsprechenden Triggerwarnungen) können eine gute Anlaufstelle sein.
  4. Dich mit deinem Körper anfreunden. Das ist mit Sicherheit der schwierigste Schritt, und ich nenne ihn nicht leichtfertig. Ich bin trans und chronisch krank und habe lange das Gefühl gehabt, dass mein Körper gegen mich ist. Aber mein Körper ist nicht mein Feind – er kann nichts dafür, dass er so ist, wie er ist. Mein Körper ist ein Teil von mir. Jeden Tag kümmert er sich um mich, sorgt dafür, dass ich mit meinen Freund*innen sprechen und meine Lieblingsserie schauen und lecker Eistee trinken kann. Meinen Körper so zu sehen und ihm ein wenig mehr mit Dankbarkeit und Nachsicht zu begegnen, hat mir auch sehr mit meiner Dysphorie geholfen. Das ist ein langer und schwieriger, aber auch sehr lohnenswerter Prozess.

Ich hoffe, irgendwas Hilfreiches ist für dich gegen deine Dysphorie mit dabei.
Alles Gute und viele Grüße,
Balthazar

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