Queerer Medienrückblick 2021

Ein Text von unserem Teammitglied Daniela.

Bald ist es schon eine Tradition für mich, auch medial auf das Jahr zurück zu blicken und zu überlegen, was habe ich eigentlich gesehen, gehört, gelesen mit und von queeren Menschen.

Deshalb gibt es auch für das Jahr 2021 einen kleinen Rückblick auf Serien, Filme, Podcasts und Bücher. Dabei ist das natürlich nur eine subjektive Auswahl. Es ist viel mehr erschienen als ich hier zusammenfassen kann. Aber falls ihr noch Tipps braucht für verregnete Wintertage, ist das sicherlich ein guter Anfang.

Serien/Filme

Netflix (Account benötigt)

Sex Education, Staffel 3: 2019 erschien die britische Serie „Sex Education” auf Netflix. Im letzten Jahr kam nun die dritte Staffel dazu. Hauptsächlich geht es in der Coming-of-Age-Serie um High School Schüler*innen, die in ihrer Pubertät zu ihrer eigenen Sexualität, ihrer geschlechtliche Orientierung und Identität finden. Dabei hilft besonders das Wissen einer der Serienmütter, die Sexualtherapeutin ist. Das Besondere an der Serie ist dabei nicht nur der oft inklusive Aufklärungscharakter, sondern auch der diverse Cast von queeren und BI_PoC Schauspieler*innen, der leider in vielen Mainstream-Serien noch die Seltenheit ist.

Pose, Staffel 3: Ebenfalls in Deutschland seit 2019 auf Netflix verfügbar ist die Serie Pose, die sich der Ballroom-Szene (= US-amerikanische BI_PoC und LGBTQIA+ Bewegung, die mit Tanz, Modeln und Catwalks in Gruppen/„Häusern” gegeneinander antreten und Preise/Trophäen gewinnen können) annimmt. Auch hier ist der Cast besonders betonenswert, der von own voices, also queeren, hauptsächlich Schwarzen Menschen, gespielt wird. Thematisiert werden neben Drag, Trans, Modeln, queerer Kultur, eigener Wahlfamilie auch Rassismus, Krankheit, Sexwork und Tod.

Queer Eye, Texas-Staffel: Silvester 2021 erschien die neue Staffel von Queer Eye, einer Make-over-Show, die 2018 auf Netflix Premiere feierte. Die selbsternannten Fabulous 5 (Fab 5), bestehend aus 4 queere cis Männern und 1 nicht-binären Person, helfen Menschen sich neu zu sortieren – in den Bereichen der eigenen Wohnung oder Arbeitsumfelds, im Bereich Kleidung und Haare/Kosmetik, Kommunikation sowie im Bereich Kochen. Für die aktuelle Staffel halfen die Fab 5 Menschen in dem konservativen US-Bundesstaat Texas sehr wertschätzend und feinfühlig verschiedensten, auch queeren Menschen und BI_PoC in ihren aktuellen Lebensbereichen (z.B. einer Lehrerin & ihren Schüler*innen  für den Abschlussball, einer trans Frau für weniger Dysphorie oder einer Farmbesitzerin für einen eigenen Stall). Besonders zu beobachten ist dabei, dass das Queer Eye Team von Staffel zu Staffel auch aktivistischer, politischer und inklusiver wird – für eine Make-over-Show bisher sehr einmalig.

Diebische Elstern: Ebenfalls aus dem Jahr  2019, aber selbst erst letztes Jahr gesehen, ist die Serie „Diebische Elstern”, auf dem gleichnamigen Roman (Originaltitel Buch und Serie: „Trinkets) von Kirsten Smith basierend. Es geht um Teenager, die aus den verschiedensten Gründen Diebinnen wurden und sich nun, mehr oder weniger, regelmäßig in Selbsthilfegruppen treffen, um gegen ihre Kleptomanie anzugehen. Neben der engen Freundinnenschaft, geht es auch um die Themen Coming Out und lesbische Liebe. Gerade letzteres ist in Serien eher selten im Hauptcast zu finden und meist nicht mit Happy End, so dass die beiden Serien-Staffeln sich in jedem Fall lohnen zu schauen.

Single All The Way (Film): Natürlich darf der alljährliche queere Weihnachtsfilm in der Liste auch nicht fehlen. Dieses Mal ist es „Single All The Way”, eine 2021 erschienene, kanadische Liebeskomödie um einen schwulen Hauptcharakter, der mit seinem WG-Bewohner und guten Freund seit Studienzeiten, seine Eltern zu Weihnachten besucht und dort von seiner Mutter verkuppelt wird mit dem hübschen Typen aus dem Dorf. Auch, wenn die Storyline ziemlich voraus zu sehen ist, gehört ein bisschen Cheesynes doch zu Weihnachten dazu. Letztlich zeigt auch der Film: es muss keine heteronormative Geschichte sein, um eine kitschige Liebesgeschichte für den Mainstream zu erzählen.

Amazon Prime (Account benötigt)

The Bold Type, letzte Staffel: Nach einer Covid-19 produktionsbedingten Pause, erschien nun 2021 die letzte Staffel von „The Bold Type”, einer Serie, die hauptsächlich in einer Redaktion einer Modezeitschrift spielt. Hier erleben drei beste Freundinnen nicht nur auf Arbeitsebene (Social Media, Mode, Journalismus & Politik), sondern auch in ihrer Freizeit (Freundinnenschaft, Beziehungen, sexuelle und romantische Orientierung) viele Abenteuer und so sehr die Serie immer wieder mit „Sex and the City” verglichen wird, so sehr spielt sie in einem moderneren, inklusiveren Umfeld. So geht es auch um Trans- und andere queere Rechte, um lesbisches Leben im Hauptcast und mit der Staffelentwicklung über die drei Jahre hinweg gewinnt die Serie zudem an politischen, feministischen und inklusiveren Thematiken. Eine Freundinnen-Serie, die in der perfekten queeren Jetztzeit angekommen ist.

Mediatheken (ohne Anmeldung zugänglich)

All you need: Eher ungewöhnlich sind noch deutsche, queere Produktionen. „All you need” ist so eine Ausnahme und handelt von vier schwulen (cis) Männern, die in Berlin wohnen und ihre Herausforderungen alle auf ihre Weise bewältigen müssen. So geht es nicht nur um Coming Outs, sondern auch Beziehungs- und Elternkonflikte, öffentliches Händchen halten und die Entdeckung der eigenen Sexualität. 

Zudem ist besonders bemerkenswert, dass der Cast divers ist und auch das Thema schwul sein als Men of Color in Deutschland Platz findet. Eine weitere Staffel ist bereits geplant, die voraussichtlich 2022 erscheinen wird.

Loving her: Ebenfalls eine deutsche Produktion und die erste, deutsche lesbische Serie ist „Loving her” nach dem Vorbild der niederländischen Serie „Anne+”. Die Hauptdarstellerin lebt in Berlin und schaut in jeder einzelnen Staffelfolge auf einer ihrer (Ex-)Beziehungen zurück. Dabei geht es nicht nur um das Leben als lesbisches Paar/Affäre, dramatische Schlussmach-Momente, sondern auch das Genießen des Unilebens, der abendlichen und nächtlichen Parties, Freund*innenschaft und natürlich die erste, große Liebe. 

Neben der Authentizität und ruhigen Erzählstil, ist die Serie vor allem auch durch die Folgenkürze von ca. je 10 Minuten sehr ungewöhnlich, und sehenswert.

Podcasts

Wohnung 17: Bettina Böttinger, TV-Moderatorin und Produzentin, startete 2021 ihren Podcast „Wohnung 17”, in dem sie sich regelmäßig mit queeren Menschen unterhält. Das Besondere an dem Podcast ist vor allem zu hören, wie anders aber auch gleich Generationen queerer Menschen lebten und leben, was sich im (Queer-)Feminismus und Gesetzen alles tat und welche aktuellen Probleme immer noch existieren – beim Coming Out, bei rechtlichen Dingen, aber auch ganz persönlichen Struggles während der Coronazeit. 

Gäst*innen sind u.a. die Kanzlei Dunkelrichter, Irina Schlauch (Princess Charming), Nikolas Puschmann (Prince Charming), Hella von Sinnen (lesbische Ikone), Tahnee (Comedian), Sophie Yukiko Hasters (Tänzerin, Choreografin und Pionierin der deutschen Ballroom-Szene)  u.v.m.

Bettina Böttinger ist selbst 65 Jahre alt und lesbisch. In den Wohnungsgesprächen passiert dabei auch viel Selbstoffenbarung und Aufklärung, wie es früher war queer zu studieren, zu leben ohne Medienvorbilder usw. Neben dem Podcast moderiert sie u.a. regelmäßig für den WDR den Kölner Treff.

Science S*Heroes: Zu Gäst*in im Wissenschaftspodcast „Science S*Heroes” von Christiane Attig und Rebecca Moltmann sind Frauen und nicht-binäre Wissenschaftler*innen, die über ihren (oft steinigen) Weg in die Wissenschaften sprechen, ihre Spezialthemen erzählen und die Probleme (mehrfach) marginalisierter Menschen im universitären Kontext berichten. In lockerer Atmosphäre werden komplexe Themen nahbar und interessant aufbereitet und endlich auch mit Klischees aufgeräumt. Unbedingt hörenswert für alle, die an Wissenschaften querbet interessiert sind.

Bücher

Gender Euphoria: Die leider noch nicht ins Deutsche übersetzte Anthologie (Originalsprache Englisch) erzählt 19 Geschichten über Gendereuphorie von nicht-binären, intergeschlechtlichen, agender, genderfluiden und trans Menschen. Viel zu oft ist über Dysphorie zu lesen und die schlimmen Alltagsmomente und Diskriminierungen. Dieses Buch erzählt die tollen, motivierenden Erlebnisse queerer Personen während ihres Coming Outs, ihren Frisör*innen- und Tattoostudio-Besuchen und anderen alltäglichen, und wichtigen Momenten. Wir brauchen unbedingt mehr dieser positiven Geschichten und Empowerment in auch deutschsprachigen Büchern! 

Anarchie Déco: Judith und Christian Vogt, bekannt für ihre Fantasy- und Rollenspielbücher, den Genderswapped Podcast und viele Kurzgeschichten haben 2022 „Anarchie Déco” im Fischer-Verlag veröffentlicht, einen historischen Fantasyroman, der in den 1920ern in Berlin spielt. Und nicht nur, weil Judith Vogt selbst nicht-binäre*r Autor*in ist, sondern auch weil das Thema Nicht-Binarität und Queerfeminismus  in einem großen Verlagshaus publizierten Roman Platz findet, ist das Buch definitiv mein Lesehighlight des Jahres 2021. Was ist schöner zu lesen als die Goldenen Zwanziger, in denen es magisch zugeht, jeder Varieté-Besuch eine Zeitreise ist und Berlin noch ein ganz anderes Flair als heute hat. Die Physikerin Nike, die der Polizei hilft magische Vorfälle zu lösen, der Bildhauer Sandor Černý, der ihr dabei zur Seite steht und die Varieté-Künstler*in Georgette, die das Nachtleben und ihre Protagonist*innen kennt – ein perfektes LGBTIQA+ Trio, das im Kontrast zur aufkommenden Nazi-Zeit steht und trotz der anderen Erzählzeit und -welt nichts an aktuellen queer-politschen Themen und Diskursen einbüßt. 

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