Kummerkastenantwort 2.850: Bin ich wirklich trans?

Hi!

Ich bin afab, 21 Jahre alt und hinterfrage seit ca. 1,5 Jahren meine Geschlechtsidentität. Ich habe die meisten reversiblen Schritte (Frisur, Kleidung) schon getan, um mich in meinem Geschlecht auszuprobieren und weiß, dass ich mich am wohlsten fühle, wenn ich mich stereotypisch maskulin präsentiere. Zum Frausein habe ich gar keinen Bezug. Dann habe ich einen Namen ausprobiert, das hat sich aber auch nach Monaten noch seltsam angefühlt, weswegen ich jetzt Angst habe, erneut einen anderen Namen/Pronomen auszuprobieren. Ich weiß nicht, was ich noch tun kann, um mir in meiner Identität sicherer zu werden. In Therapie bin ich schon. Ich denke schon daran, dass ich vielleicht mal Testo nehmen und die Mastek haben will, aber in der Namensfrage bin ich überfordert. Irgendwas fehlt mir, um mich zu outen. Wie kann ich die Zweifel überwinden oder mir sicherer werden? Ich habe das Gefühl, mir fehlt komplett der Bezug zu mir selbst und meinem Bauchgefühl hinsichtlich meiner Identität. Auch macht mir Sorge, dass ich mir das alles immer noch nur einrede, weil ich in der Kindheit/frühen Jugend eigentlich keine Probleme damit hatte. Ich habe Angst, andere Probleme damit zu kompensieren. Ich drehe mich im Kreis zwischen “Ja, ich bin safe trans.” und Zweifeln und queer imposter syndrom und Abstreiten. Auch, weil ich mich/meinen Körper nicht hasse oder so, ich komme irgendwie schon zurecht, aber wünsche mir doch männlichere Attribute.

Vielen Dank für eure Arbeit und einen schönen Tag!
Luka

P.S.: Ich habe noch folgenden Gedanken, vielleicht könnt ihr dazu auch was sagen:) Ist es nicht so, dass Transidentität eine Flucht/ein Ausweg aus Geschlechterrollen ist? Also dass trans* Personen dem Gesellschaftsdruck ihres bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts nicht standhalten können/wollen und deshalb in die Transidentität “fliehen”? Gäbe es ohne Genderrollen überhaupt Transidentität?

Hallo Luka,

Zunächst einmal zu deinem PS: Nein, Transidentität ist kein Ausweg aus Geschlechterrollen. Zum einen, weil ein Geschlecht nichts ist, was eine Person “aushält” oder nicht, zum anderen, weil trans sein in der Regel nie einfacher ist, als cis zu sein. Ein Mensch ist nach der Tranisition ja immer noch Teil der Gesellschaft, und damit Geschlechterrollen- und Erwartungen (sowohl für das assigned gender at birth, als auch für das gelebte Geschlecht) ausgesetzt. Eine Flucht aus Geschlechterrollen ist ohne Flucht aus der Mehrheitsgesellschaft überhaupt nicht möglich.

Zu der Frage, ob es ohne Geschlechterrollen überhaupt Transidentität gäbe, gibt es verschiedene Betrachtungen, aber das sprengt vielleicht diese Kummerkastenantwort.

Nun zu deiner eigentlichen Frage: Wie kannst du dir bezüglich deiner Geschlechtsidentität sicherer werden?

Du kannst natürlich noch weiter herumprobieren. Weitere Möglichkeiten, mit Maskulinität zu experimentieren, wäre zum Beispiel, einen Binder anzuprobieren und zu reflektieren, wie sich das anfühlt. Außerdem gibt es grundsätzlich auch die Möglichkeit, Testosteron zu microdosen, sodass die Veränderungen dadurch sehr langsam von statten gehen und im Prinzip jederzeit abgebrochen werden können. Dazu sei allerdings gesagt, dass Zugang zu Hormontherapie ohnehin schon sehr schwer sein kann, und noch einmal schwieriger, wenn du nicht die “typische” Hormonersatztherapie willst.

Zum Queeren Imposter Syndrom haben wir noch einen Blogeintrag, falls du den noch nicht kennst.

Es ist außerdem völlig okay, das eigene Geschlecht erstmal (oder auch dauerhaft) gar nicht zu benennen. Vielleicht setzt du dich auch einmal mit Nicht-Binärität und Ageschlechtlichkeit auseinander und schaust, ob einer dieser Begriffe für dich passt? Du musst nicht notwendigerweise transmaskulin sein, nur, weil du nicht feminin bist. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, das eigene Geschlecht zu definieren.

Ich wünsche dir viel Glück auf deiner Reise,

Elias

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