Kummerkastenantwort 3.264: Darf ich mich als autigender bezeichnen?

Hallo, ich hab gleich einige Fragen sorry wenn es etwas lang geworden ist. Ich benutze oft das Label Autigender, ich bin autistisch und glaube, dass das so meine Wahrnehmung von der Gesellschaft beeinträchtigt, dass ich auch mein soziales Geschlecht nicht wie neurotypical Personen wahrnehmen kann und auch das Prinzip soziales Geschlecht nicht vollkommen verstehe. Als Kind hatte ich z.B lange schwierigkeiten stereotypen richtig zuzuordnen was sich vielleicht banal anhört in einer Welt in der sich die meisten Kinder danach gerichtet haben aber sehr schwierig war. Ich hab oft das Gefühl, dass ich eigentlich nur mein biologisches Geschlecht bin und auch andere nur so wahrnehmen kann was ich auch von einigen anderen Autisten so schon gehört habe.

Ich hab jetzt aber erfahren, dass der Begriff von einigen/vielen (?) Menschen mit Autismus abgelehnt wird. Findet ihr ich kann mich trotzdem noch so bezeichnen?

Was mich auch interessiert, wie wird der Begriff innerhalb der Lgbt+ Community wahrgenommen? Ist das ein Begriff den viele kennen oder muss man den eher immer wieder erklären? Ist der Begriff positiv, negativ oder neutral behaftet?

Wäre es besser wenn ich mich einfach nur als queer bezeichne? Aber ich hab gehört, dass vorallem ältere Menschen in der Lgbt+ Community den Begriff als beleidigend wahrnehmen und ich will eigentlich kein Label benutzen, von dem sich andere getriggert fühlen könnten. Was für andere Labels könnte ich verwenden die Aussagen dass mein Geschlecht nicht der Norm entspricht, die mich aber nicht in eine Schubblade stecken?

Hallo,

Das Ding mit dem Begriff „queer“ ist, dass queer mal als Beleidigung benutzt wurde und zT auch noch als Beleldigung benutzt wird. Queer bedeutet auf Deutsch in etwas so etwas wie „merkwürdig“ oder „komisch“. Deswegen lehnen viele Menschen es ab, von Anderen (bzw. Fremden) als queer bezeichnet zu werden. Als Selbstbezeichnung für sich selbst nutzen aber viele Menschen (auch ältere) den Begriff „queer“ und das ist auch kein Problem. Man nennt das einen „reclaimed slur“, also eine „zurückeroberte Beleidigung“. Auch die Begriffe „schwul“ oder „Dyke “ wurden mal (überwiegend) als Beleidigung genutzt. Dadurch, dass man selbst einen Begriff nutzt, der gegen einen verwendet wurde, verliert dieser Begriff die Macht, einen zu verletzen.

Das Ding mit dem Begriff „autigender“ ist n bisschen komplizierter, da gibts verschiedene Aspekte zu. Erstens ist Autismus etwas, das von vielen Menschen als Behinderung oder Erkrankung betrachtet wird und die Verbindung von Autismus und Geschlechtsidentität weckt bei manchen Menschen die Sorge, dass auch die Betrachtung von trans sein als Krankheit wieder stärker wird dadurch. Zweitens ist es für diagnostizierte autistische Menschen oft schwerer, mit ihrer Geschlechtsidentität ernst genommen zu werden und gender affirming Versorgung zu bekommen, also zb Hormone, weil manche Ärzt*innen erst sicher stellen wollen, dass der Autismus eben genau nicht die Geschlechtsidentiät beeinflusst (dass diese Ärzt*innen das so verlangen, ist blödsinn, aber wenn man dann trotzdem Behandlung will, muss man halt durch diese Reifen springen).

Diese Menschen haben Angst, dass durch die zunehmende Verbindung von Autismus und gender ihr Zugang zu geschlechtsangleichender Versorgung beschränkt wird. Bedeutet das jetzt, dass du dich nicht autigender nennen solltest? Nicht notwendigerweise.

Wie der Begriff wahrgenommen wird, kommt sehr stark darauf an, in welchen teilen der queeren community du dich bewegst. Tendenziell wirst du ihn aber vmtl immer wieder erklären müssen, da er sehr unbekannt ist. Mögliche alternative, etablierte Begriffe, die mir so spontan einfallen: agender, nichtbinär, genderqueer. Den Begriff queer an sich kannst du aber auch nehmen, der ist in der breiteren queeren community nicht negativ besetzt.

Liebe Grüße,

Elias

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