Kummerkastenantwort 3.312: Kann Autismus ein eigenes Geschlecht sein?

Ich beschäftige mich gerade sehr intensiv mit dem Thema Geschlecht und Autismus und hab hier auch schon eine Frage zu Autigender gestellt.

Meine neue Frage ist, kann Autismus ein eigenes Geschlecht sein? Ich weiß die Defintion von Autigender als eigenes Geschlecht ist verpönt aber es gibt wohl eine Studie die zeigt, dass autistische Gehirne anders strukturiert sind und zum Beispiel die Gehirne von autistischen Frauen immer männlicher sind als die von Frauen ohne Autismus und das die Gehirne von autistischen Männern auch männlicher sind als die von Männern ohne Autismus. Da ja davon ausgegangen wird, dass trans* sein dadurch ausgelöst wird das man die Gehirnstruktur des anderen Geschlechts hat, müsste Autismus doch auch ein eigenes Geschlecht sein da die Gehirnstruktur nicht der normalen Geschlechtsstruktur entspricht? Was meint ihr?

Hallo!

Also: es ist schwierig, das so einfach zu sagen.

Warum? Naja, das fängt schon damit an, dass es sehr schwierig ist, zu sagen “Dieses Gehirn ist sehr männlich/weiblich”. Letzten Endes ist ein Gehirn auch nur ein Körperteil, das in allen möglichen Variationen auftritt. Wir haben nur leider als Gesellschaft irgendwann beschlossen, bestimmten Ausprägungen unserer Körperteile Geschlechter zuzuweisen – Gehirne, Genitalien, Hormone etc.

Leider wurde dabei auch nicht darauf geachtet, zu checken, ob diese Dinge tatsächlich so binär auftreten, wie wir sie betrachten, sondern es wurden (mal mehr, mal weniger) willkürlich Standards gesetzt, für weibliche/männliche Hormonlevel, Genitalien, Körper, Gesichter, Gehirne,…

Meistens wurden diese Standards dabei an weißen, dya cis hetero Männern (und seltener, weißen dya cis hetero Frauen) orientiert. Entsprechend fehlerhaft ist dieses System von männlichen oder weiblichen Körperteilen in seinem Grundsatz schon. Und entsprechend schwierig ist es auch, zu sagen “Autismus ist ein eigenes Geschlecht, weil die Gehirnstruktur anders ist”.

Geschlecht ist wesentlich vielschichtiger, als die Ausprägung von Körperteilen – und die Vergeschlechtlichung von Körperteilen macht meistens mehr Probleme, als dass sie uns Nutzen bringt.

Ich hoffe, das beantwortet deine Frage und hat dir ein Paar Denkanstöße gegeben. Beachte außerdem, wenn du dich weiter mit dem Thema befasst, dass Studien (gerade zu Geschlecht oder Neurodiversiät) oft (unbewusst) von der Bias der jeweiligen Studiendurchführenden geleitet werden. Du solltest deshalb immer gut kontrollieren, ob eine Studie glaubwürdig ist.

Liebe Grüße,

Elias

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