Kummerkastenantwort 4.561: Ich habe Fragen zu Testo-HRT

Hallöchen!
Entschuldigt, wenn ihr bereits solche Fragen beantwortet habt, es wäre dennoch sehr nett, wenn ihr auch hier auf diese eingehen könntet. Wie ungefähr sollte man vorgehen, wenn man auf Testo kommen möchte und noch nie vorher einer*m Gynäkologin*en einen Besuch abgestattet hat? Kann die Krankenkasse evtl auch die Testokosten übernehmen? Wie lange muss man ungefähr in Therapie dafür sein? Würde man in Deutschland auch ein Dysphoriebestätigungsschreiben eines z. B. polnischen Therapeuten akzeptieren? Kann die Trans-Diagnose auch eine Weile quasi liegenbleiben, becor man die physikalische Transition anstrebt? Macht es einen großen Unterschied, ob man vor der top surgery T nimmt? Und beeinflusst die spezifische Diagnose, wie man seinen Pass ändern darf? (Ich bin enby, frage mich aber inzwischen, ob es bei einer binären Darstellung meiner Probleme vor einem Therapeuten nicht reibungsloser verlaufen würde)
Hah, ist ziehmlich viel geworden. Danke schon mal für die Beantwortung im Vorraus.

Hallo!

Ja, die Krankenkasse übernimmt die Kosten für HRT. Dafür gibt es allerdings einige Voraussetzungen: Du brauchst ein sog. “Indikationsschreiben” (mit der F64.0-Diagnose) von eine*r Psycholog*in oder Psychiater*in. Die meisten stellen dies nach ca. 6 Monaten Therapie aus. Dann brauchst du eine gynäkologische oder endokrinologische Praxis, die Erfahrung mit HRT hat oder bereit ist, sich diesbezüglich Wissen anzueignen. Die Praxen haben neben dem Indikationsschreiben, das eigentlich immer gefordert wird, meist noch andere Voraussetzungen, bis sie HRT verschreiben. Dazu gehört meist eine Ultraschall-Untersuchung der inneren Genitale, und manchmal auch eine Chromosomenanalyse. Deswegen bietet es sich an, schon während der Therapie Kontakt mit der Praxis aufzunehmen, bei der du später HRT bekommen möchtest, um heraus zu finden, was du zusätzlich noch an Untersuchungen machen musst.

Ich habe das damals so gemacht, dass ich bei der Praxis angerufen habe, und gefragt habe “Hallo, ich hab eine Frage, und zwar: Machen sie Hormonersatztherapie mit HRT für trans Personen?” und dann “Nehmen Sie neue Patient*innen auf?”

Ob auch Schreiben von Therapeut*innen außerhalb von Deutschland akzeptiert werden, kann ich dir leider nicht sagen. Vermutlich hängt das stark von der Praxis ab.

Im Indikationsschreiben wird dir ein “akuter Leidensdruck” attestiert. Die Diagnose F64.0 an sich ist quasi “für immer” haltbar, und es ist sicher leichter, HRT später zu bekommen, wenn du die Diagnose schon hast. Ob eine gynäkologische/endokrinologische Praxis ein “veraltetes” Indikationsschreiben noch akzeptiert, ist aber vermutlich (wieder) sehr individuell. Du könntest aber ggf. mit deiner Therapieperson besprechen, dass du das Indikationsschreiben eben nicht nach sechs Monaten, sondern dann ausgestellt kriegst, wenn du auch wirklich mit HRT anzufangen möchtest.

Durch Testosteron verändert sich die Verteilung des Körperfetts. Dadurch verändern sich oft auch die Brüste. Deswegen macht es Sinn, wenn du Testosteron nehmen möchtest, damit ca. ein halbes Jahr vor der Mastektomie anzufangen – es ist aber aus medizinischer Sicht kein absolutes Muss. Menschen, die schon HRT nehmen, haben es tendenziell aber leichter, von der Krankenkasse die OP-Kosten bezahlt zu kriegen.

Eine binäre Darstellung deiner Probleme hilft leider meistens tatsächlich dabei, HRT zu bekommen. Das hängt sehr stark davon ab, ob die Therapieperson, bei der du das Indikationsschreiben bekommen möchtest, Nichtbinär-Feindlich ist, oder nicht. Ich möchte dir nicht empfehlen, deine Mediziner*innen anzulügen. Manchmal ist es aber leider der praktikabelste Weg.

Liebe Grüße und viel Glück,
Elias

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