Nachschlag: Vornamen im SBGG

Von unserer Blogleitung Xenia, die entgegen anderslautender Gerüchte keine Anwältin ist, und demnach auch keine Rechtsberatung anbietet.

Eigentlich dachten wir, das wird ein entspannter Post, weil eigentlich ist vom SBGG genau ein Paragraph jetzt in Kraft und wir dachten nicht, dass der irgendwie kontrovers wäre oder irgendwie zu Diskussion führen würde. Aber nun. Hier sind wir.

Was war noch mal?

Das Transsexuellengesetz ist abgeschafft und noch bis 31.10. in Kraft. Danach wird es vom Selbstbestimmungsgesetz abgelöst. Dass das nahtlos klappt, ist ein Teil des SBGG schon jetzt in Kraft: Um Änderungen von Vorname und Geschlechtseintrag mit dem SBGG machen zu können, muss das beim Standesamt 3 Monate vorher angemeldet werden. Der Teil des Gesetzes, der diese Anmeldungen regelt, ist schon in Kraft. Sonst nix.

Was ist da jetzt in Kraft?

Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen ist von der erklärenden Person drei Monate vor der Erklärung nach § 2 mündlich oder schriftlich bei dem Standesamt anzumelden, bei dem die Erklärung abgegeben werden soll. Die Anmeldung wird gegenstandslos, wenn die Erklärung nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Anmeldung abgegeben wird.

Das ist § 4 im SBGG. Im wesentlichen steht da: Wenn du das SBGG nutzen möchtest, musst du drei Monate vorher dem Standesamt mündlich oder schriftlich mitteilen, dass du das tun willst.

Das Gesetz macht (außer schriftlich / mündlich) keine Vorgaben zu dieser Anmeldung oder zum Inhalt. Neue Namen oder neuer Geschlechtseintrag müssten eigentlich nicht benannt werden. Es muss gar nicht benannt werden, es muss nur klar sein, von wem diese Anmeldung kommt. (Sonst wäre ja nicht klar, wer in drei Monaten dann die Erklärung abgeben kann.)

Einzig die Schriftform bedeutet: Wenn du das nicht mündlich machst, musst du den Zettel eigenhändig unterschreiben. Falls du Dinge online einschicken willst, brauchst du eine qualifizierte elektronische Signatur. Einige Standesämter sind auch mit ausdrucken – unterschreiben – einscannen fine. Manche haben auch eigene Formulare, aber dazu gleich mehr.

Und wo ist jetzt das Problem?

Es gibt jetzt zwei Probleme, die miteinenader zu tun haben:

  1. Standesämter denken sich Regeln und Voraussetzungen aus, wie diese Anmeldung zu sein hat, die über die gesetzlichen Vorgaben rausgehen.
  2. Standesämter verlangen schon in der Anmeldung die Angabe von neuen Vornamen und Geschlechtseintrag, legen Regeln dafür fest, die ebenso nicht aus dem Gesetz hervorgehen und schreiben zusätzlich Sätze auf ihre Formulare, die unterstellen, dass diese Regelungen dem Gesetz entsprechen.

Das ergibt zusammengenommen folgende Konstellation:

  • wer seine Änderung anmelden will, wird angewiesen ein vorgefertigtes Formular zu nutzen
  • das Formular verlangt – mehr oder weniger bindend – schon neue Vornamen
  • das Standesamt widerspricht dann möglicherweise der Anmeldung aufgrund dieser Vornamen
  • das Formular beinhaltet eine Formulierung wie “mir ist bekannt, dass ich die Anzahl meiner Vornamen in diesem Verfahren nicht ändern kann”
  • damit schließen Standesämter jetzt oder später aus, dass die Anzahl der Vornamen geändert werden kann – und du hast das möglicherweise unterschrieben

Das hat alles so keine Rechtsgrundlage, denn einerseits ist die Angabe von neuen Namen noch gar nicht notwendig, und wenn sie nicht angegeben sind, kann auch niemand sich über sie beschweren. Andererseits gibt es im SBGG auch nur die Vorgabe, dass die gewählten Vornamen zum Geschlechtseintrag passen müssen. Eine Vorgabe zur Anzahl fehlt komplett.

Uns liegt ein Schreiben aus dem Bundesinnenministerium vor, das allerdings argumentiert, dass die Anzahl der Vornamen mit dem SBGG nicht änderbar wäre. Die halten wir für nicht zutreffend. Gleichzeitig kann ein Ministerium nicht einfach etwas aufschreiben, was dann magisch Gesetzeskraft erlangt. Es könnte sich um eine Weisung handeln, aber das ergibt hier keinen Sinn, da Standesbeamt*innen in der Ausübung standesamtlicher Tätigkeiten nicht an Weisungen gebunden sind. Kurz: Die These des Bundesinnenministerium zur Vornamenswahl beim SBGG ist genau das: eine These. Und sie ist falsch.

Was gilt für die Anzahl von Vornamen im SBGG?

Kurze Antwort: Nichts besonderes.

Ausführlicher: Das SBGG beinhaltet keine Vorgaben zur Anzahl von über das Verfahren bestimmter zukünftiger Vornamen. Das Personenstandsgesetz auch nicht.

Und hier könnte die Geschichte zu Ende sein. Aber mit dem Rundschreiben vom BMI ist sie das nicht mehr. Also gehen wir weiter.

Die allgemeinste Regelung für Namensänderungen in Deutschland trifft das Namensänderungsgesetz. (Das ist übrigens annähernd unverändert seit 1938 in Kraft und hat auch die Entstehung des TSG mitbeeinflusst, aber das ist eine andere Geschichte für einen anderen Tag.) Das kennt keine Beschränkungen für die Anzahl von Vornamen. Ein Argument, das funktioniert wie: “Mit dem Namensänderungsgesetz kann man die Anzahl der Vornamen ändern, deswegen kann man das mit dem SBGG nicht” erscheint nicht plausibel – wie stünde das eine Gesetz über dem anderen? Beide ermöglichen Namensänderungen nur aus besonderen Gründen.

Können wir noch weiter gehen? Sure.

Wenn der Bundestag über Gesetzentwürfe berät und sie letztlich verabschiedet, gibt es immer eine sogannte Drucksache zum Entwurf. Da steht der Entwurf drin, da wird bisschen Hintergrund erklärt und auch der Gesetzestext selbst begründet. Diese Begründung ist nicht Teil des Gesetzes, wird aber von Gerichten in Streitigkeiten bei der Auslegung herangezogen, um den Wissen des Gesetzgebers und die Intention des Gesetzes besser klären zu können. Und was sagt jetzt die Gesetzesbegründung?

Es gelten für die Vornamensbestimmung dieselben Regeln, die für die Vornamensbestimmung bei Geburt gelten.

Aha. Vor der Anmeldung der Geburt beim Standesamt hat -rechtlich gesehen- ein Kind keinen Namen. Demnach ist die Frage “wie viele Vornamen hat das Kind?” an dieser Stelle nicht beantwortbar, genauso wenig wie “ändert sich die Anzahl der Vornamen durch die Anmeldung?” – es kann also auch rein logisch keine Vorschriften zur Anzahl oder zur Änderung der Anzahl der Vornamen bei Geburt geben. Und wenn es die selben Regeln sind, die auch einschlägig für die Bestimmung der Vornamen beim SBGG sind, dann gibt es -nach der Gesetzesbegründung- ebenso keine Vorgaben.

und was ist mit dem Geschlechtsbezug?

Mit der Erklärung nach Absatz 1 sind die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.

Das hier wird zu November mit dem Rest des SBGG in Kraft treten. Und was heißt das nun?

Würde sagen, das intuitive Verständnis trifft hier zu: Ändere ich meinen Geschlechtseintrag zu weiblich, wird’s schwierig, meinen Namen zu Paul zu ändern.

Aber kann ich, wenn ich meinen Eintrag zu “keine Angabe” ändere, meinen bisherigen Vornamen behalten? Denke schon.

Kann ich das begründen? Ja. Kann ich. Mit der Gesetzesbegründung und mit einer Entscheidung zu Vornamen bei Neugeborenen aus dem Bundesverfassungsgericht. Let me cook.

Die Gesetzesbegründung und das Geschlecht mit den Vornamen

Den einen spannenden Satz aus der Begründung dazu hatten wir schon:

Es gelten für die Vornamensbestimmung die selben Regeln, die für die Vornamensbestimmung bei Geburt gelten.

Da stellt sich natürlich die Frage: Welche Regeln zum Geschlechtsbezug der Vornamen gelten denn bei Geburt? Dazu gleich mehr.

Die Begründung hat noch einen zweiten hier spannenden Satz:

Die Regelung in Absatz 3 bewirkt, dass die neuen Vornamen als zu dem Geschlechtseintrag passend erscheinen.

Wer ist denn Absatz 3 jetzt? Das ist der zitierte Satz am Beginn dieses Kapitels, der mit die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen endet.

Ich würde das so verstehen, dass der Geschlechtsbezug schon allein deswegen passt, weil das so über das SBGG erklärt wird. (Außer er tuts eben nicht, und dazu brauchen wir die besagte Entscheidung vom Verfassungsgericht.)

Das Verfassungsgericht und der Geschlechtsbezug bei Vornamen

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung zu Vornamen und Geschlecht getroffen, deren Argumentation ich hier auf das SBGG übertrage. Das geht eigentlich nicht ohne weiteres, ich mach aber eine freche Argumentumkehr und frage: Wo ist grundrechtlich der Unterschied zum Neugeborenen für das Namen bestimmt werden zur Person, die Namen für sich mit dem SBGG bestimmt? Nur, wenn wir hier einen tragenden Unterschied argumentieren können, ist diese Entscheidung hier nicht argumentativ anwendbar. Und ich behaupte, wir finden keinen Unterschied. Einen Unterschied zu finden, würde bedeuten, dass ein Neugeborenes andere Rechte an seinem Namen hat als eine ältere Person.

Aber nun: Was hat das Verfassungsgericht entschieden und was ist der Sachverhalt?

Der Sachverhalt: Ein Kind wurde in Deutschland als deutsche Staatsbürgerin geboren. Zu Geburt wurde weiblich als Geschlechtseintrag zugewiesen und die Eltern haben dieses Kind Kiran genannt. Nennen wollen. Denn der Standesbeamte widersprach, da dieser Name nicht dem Geschlecht entspräche.

Das Verfassungsgericht verwies die Sache ans Oberlandesgericht zurück, das den Namen ebenso abgelehnt hatte, welches dann bei der Entscheidung die Grundrechte des Kindes korrekt würdigen musste und die Eintragung ermöglichen (oder sich eine andere Begründung dagegen hätten suchen müssen).

Wie hat das Verfassungsgericht argumentiert?

Das Verfassungsgericht sieht eine Grenze bei der Namenswahl dort, wo der Name das Kindeswohl gefährdet. Andere Gründe, die gegen das Recht des Kindes, einen individuellen Namen zu bekommen, sprechen, sah es nicht. Es gibt auch keine gesetzliche Grundlage, dass der Vorname über das Geschlecht informieren muss. Auch Sprachgefühl (die Vorinstanz hatte argumentiert, dass Namen die mit “-an” enden in Deutschland in der Regel männlich sind) kann diese freie Vornamenswahl nicht weiter einschränken. Stattdessen wurde der redensartliche Spieß in Karlsruhe herumgedreht:

von einer Gefährdung des Kindeswohls [ist] allenfalls dann auszugehen, wenn der gewählte Vorname dem Kind offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise die Möglichkeit bietet, sich anhand des Vornamens mit seinem Geschlecht zu identifizieren

Andersrum: wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, sich über den Vornamen mit dem jeweiligen Geschlechtseintrag zu identifizieren, dann ist das Bezug genug.

Machs dir selbst!

Gar keinen Bock auf so Schikane. Deswegen: machs dir selbst. Keine vorgedruckten Anmeldeformulare, nix vom Amt für die Anmeldung unterschreiben, nicht deren interessante Rechtsauffassung zur Kenntnis nehmen, teilen, zustimmen oder akzeptieren. Du willst eine Erklärung nach SBGG abgeben und musst das anmelden? Machs dir selbst!

Falls du nicht grade Zugriff auf eine qualifizierte elektronische Signatur hast – wenn du nicht weißt, was das ist, hast du keine – schreibs auf. Nimm ne Postkarte, ein DinA4-Papier ganz egal. Drauf kommt: Deine Anschrift, dein Deadname, dein Geburstsort, dein Geburtsdatum und der Satz. “Gemäß § 4 SBGG melde ich hiermit eine Änderung nach §2 SBGG in drei Monaten an. Bitte bestätigen Sie den Eingang dieses Schreibens.” – dazu noch eine Grußformel und eine Unterschrift. (Und vielleicht wirfst du die Postkarte persönlich ein oder verschickst sie in einem Umschlag, muss ja nicht die ganze Welt auf dem Postweg lesen können, wer du bist und was du tun willst.)

Falls das Standesamt hier nicht einverstanden ist und auf eigene Formulare, die deine Rechte beschränken, besteht, hast du zwei Möglichkeiten: Anderes Standesamt fragen oder antworten mit “Insofern Sie meine Anmeldung in der jetztigen Form nicht annehmen, bitte ich um schriftliche Begründung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung.”

Seriously, was für eine Shitshow und das noch bevor das eigentliche Gesetz in Kraft ist. Wir packen das.

Belege

Das könnte dich auch interessieren …

3 Antworten

  1. X sagt:

    Danke!!! (Mein zuständiges Standesamt hat auch schon eins von diesen komischen vorgefertigten Formularen zum Unterschreiben auf der Website und ich war mir nicht sicher ob ich das unterschreiben muss? also vielen Dank fürs Erklären!)

  2. Kiran sagt:

    Im Formular bei meinem Stand nichts schlimmes drinne. Nun hab ich die Terminbestätigung pet Posz bekommen, mit dem tollen Hinweis: Nur ein Vorname möglich. ;(

    • Xenia sagt:

      Einige Standesämter machen das wohl so. Wenn du jetzt Energie hast, kannst du sie bereits jetzt nach der Rechtsgrundlage fragen, falls nicht kannst du das aber auch in drei Monaten bei der Erklärung selbst tun, wenn das Amt sich weigert. Ablehnung mit schriftlicher Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung anfragen und dann schauen, was dabei rauskommt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.