Kummerkastenantwort 5.796 – Lassen sich katholische Religion und Queersein vereinbaren?

Hallo Kummerkasten Team,

ich hinterfrage schon länger meine Sexualität und bin noch zu keinem Ergebnis gekommen. Allerdings habe ich eine andere Frage: Lassen sich katholische Religion und LGBTQ+ vereinbaren?

Danke schonmal fürs Beantworten!

Hallo!

Bei dieser Frage ist es sehr wichtig, zwischen dem katholischen Glauben und der katholischen Kirche zu unterscheiden. Auch unter gläubigen Katholiken – zumindest den Liberaleren – ist es nicht unüblich, diese Unterscheidung zu machen und sich etwas von der katholischen Kirche zu distanzieren. Neben der (sich nur langsam bessernden) schlechten Behandlung von queeren Menschen oder Frauen gibt es nämlich noch viele weitere Missstände in der Kirche, die größtenteils gegen das verstoßen, was der eigene Glaube predigt. Zum Beispiel, wenn über geheime Kindern von Pfarrern gelogen wird – laut den 10 Geboten ist Lügen verboten.

Der katholische Glauben selbst basiert auf den Geschichten der Bibel und weiteren Glaubenssätzen, die von der katholischen Kirche hinzugefügt wurden. Dabei muss man sich bewusst sein, dass diese unzählige Male von Menschen weitererzählt, niedergeschrieben und übersetzt wurden. Und wie Menschen halt so sind, ist damit automatisch auch die Vorstellung von Moral und Gesetz, die die Leute so hatten, da mit hinein geflossen. Vieles was in der Bibel steht, kommt einem aus Sicht des modernen Menschen altmodisch oder vielleicht sogar barbarisch vor – z.B. Gewalt gegen andere Menschen oder Hass auf andere Völker. Und das liegt daran, dass schlichtweg sehr viele altertümliche Ansichten in dieses Buch geflossen und dort hängen geblieben sind.

Was aber dennoch klar ist, ist der Grundsatz der Bibel – insbesondere des Neuen Testaments. Dieser Grundsatz ist Gottes bedingungslose Liebe für ALLE Menschen. Das, was so oft als „Frohe Botschaft“ des Christentums angepriesen wird. Dass Gott seinen Sohn auf Erden geschickt hat, und dass dieser gestorben ist, um uns die Sünden zu erlassen. Egal wie alt du bist, welche Ethnie, welches Geschlecht oder welche Sexualität du hast – Gott liebt dich, und wenn du dich ihm zuwendest, wird er dich IMMER mit offenen Armen empfangen, egal was du angestellt hast.

Gerade als queere Person bist du vielleicht besonders dazu geeignet, ein guter Christ zu sein, da du Menschen die Minderheiten angehören oder es sonst nicht leicht im Leben haben vermutlich überdurchschnittlich viel Sympathie entgegenbringen kannst. Denn wie Jesus lehrt, ist die Nächstenliebe eine der Grundfesten des katholischen Glaubens. Er sagt „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22,39). Unabhängig davon, was der soziale Status deiner Mitmenschen, ihre sexuelle Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität sind. Jesus lebt das auch selbst vor, als er explizit die sozial Ausgestoßenen wie Zöllner, Kranke oder Prostituierte zum Essen einlädt. Er hilft den Schwachen und Minderheiten, was dementsprechend auch ein guter Christ tun sollte. Die katholische Kirche lebt es hier falsch, wenn sie sozial „schwächere“ queere Menschen niedermacht, anstatt ihnen zu helfen und sie stark zu machen.

Weiter sagt Jesus auch, dass man andere nicht verurteilen soll. Zum Beispiel in „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ (Johannes 8,7) und „Siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ (Matthäus 7,3). Er erinnert daran, dass niemand ohne Sünde ist. Auch katholische Priester sind das nicht! Und selbst wenn Queer sein aus katholischer Sicht eine Sünde wäre – was eine ganz eigene Debatte ist – hat dich niemand dafür zu verurteilen. Das darf alleine Gott tun. Und der wird es nicht tun – denn wenn es ihn gibt, dann hat er dich geschaffen, und zwar genau so wie du bist. Und wenn er dich queer geschaffen hat, dann wirst du ihm so queer wie du bist also auch gut gefallen. 🙂

Also, nochmal zusammengefasst – queer zu sein steht dem katholischen Glauben in keinem Sinne im Wege. Die traurige Wahrheit ist aber, dass weite Teile der katholischen Kirche ihren Grundsatz der „Nächstenliebe“ aus den Augen verloren haben, und dass katholische Gläubige daher leider oft ein Problem damit haben, queere Menschen zu akzeptieren. Wenn du aber trotzdem dem katholischen Glauben folgen möchtest, dann lass dich davon nicht aufhalten. Die grundlegende Botschaft des Christentums ist eigentlich eine sehr Schöne, und du hättest die Gelegenheit, als ein besserer Mensch und Christ zu leben, als viele praktizierende Katholiken es tun.

Insgesamt – keine ganz einfache Frage. Hoffentlich aber eine Antwort mit der du was anfangen kannst. 🙂
Liebe Grüße,
Kim

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