Kummerkastenantwort 5.888 – Ich weiß nicht ob ich eine Phalloplastik machen soll oder nicht.

TW: Genitalien

Hey, ich brauche eure Unterstützung bei meiner Entscheidung für oder gegen den Penisaufbau.

Alle rationalen Argumente sprechen für mich dagegen: Es gibt große medizinische Risiken und es kann sein, dass ich lebenslang gesundheitliche Beeinträchtigungen habe. Außerdem werde ich viel Lebenszeit in Krankenhäusern verbringen und noch länger eingeschränkt sein, z.B. in Bezug auf Sport und Beruf, da es ja mehrere OPs sind. Dazu kommt noch die ganze Vorbereitung mit diversen Vorgesprächen, ich brauche ein neues psychotherapeutisches Gutachten und die Genehmigung der Krankenkasse etc., dann kommen vor jedem OP-Schritt Wartezeiten dazu…erfahrungsgemäß wird das Thema also für mehrere Jahre ziemlich bestimmend sein für mich und auch mein nahes Umfeld. Hinzu kommt, dass meine Partnerin eigentlich lesbisch ist und meine Transition für sie sowieso schon schwierig ist. Es könnte evtl. sein, dass sie diesen Schritt dann nicht mehr mitgeht.

Deshalb versuche ich mich davon zu überzeugen, dass es mir das alles nicht wert ist und ich im schlimmsten Fall viel zu verlieren habe.

Trotzdem gibt es immer wieder Momente, wo es mich einfach sehr traurig macht, keinen Penis zu haben. Mir geht es nichtmal drum, im Stehen zu Pinkeln oder damit sexuell aktiv zu sein. Ich will ihn einfach nur spüren und in der Hand halten können. Deshalb habe ich auch schon über eine Phalloplastik ohne Anschluss der Harnröhre und ohne Pumpe nachgedacht, da so ja auch gesundheitliche Risiken minimiert werden könnten.

Ich bin also hin und hergerissen, ob ich sozusagen vernünftig sein und einfach die Finger von weiteren OPs lassen soll. Das wäre aber ganz klar eine kopflastige Entscheidung – Bauch und Herz wollen eigentlich was anderes und ich müsste wahrscheinlich mich selbst immer und immer wieder daran erinnern, warum es rational betrachtet die richtige Entscheidung ist, es nicht zu machen – was auch auf Dauer anstrengend ist.

Habt ihr Tipps für mich? 🙂

Antwort kommt hier

Hallo!

Ich kann verstehen, dass du dich mit der Entscheidung für oder gegen einen Penisaufbau sehr schwer tust. Du hast recht damit, dass es ein bzw. mehrere große Eingriffe sind und das dein Leben vermutlich über einen längeren Zeitraum ziemlich stark einnehmen wird. Wenn du sagst, dass das es dir die Risiken und den Aufwand und alles nicht wert ist, dann ist das in Ordnung und ein sehr verständlicher Grund, keine Phalloplastik machen zu lassen. 

Was dich aber meiner Meinung nach langfristig nicht glücklich machen wird, ist, von deiner Freundin abhängig zu machen, wie du dein Geschlecht auslebst. Klar, in Partnerschaften muss man Kompromisse eingehen und sollte aufeinander Rücksicht nehmen – aber es gibt Bereiche, in denen sollte man sich nicht einschränken. Vielleicht solltest du diesbezüglich nochmal das Gespräch mit deiner Partnerin suchen und heraus finden, was ihr beide wirklich wollt, und ob ihr einander das, was ihr wollt, noch geben könnt.

Was du außerdem machen könntest, ist, ganz ohne den restlichen nervigen Bumms mit Krankenkasse und Indikationen und so, einfach mal unverbindlich ein Vorgespräch irgendwo in Anspruch zu nehmen. Dann hättest du zumindest Klarheit darüber, ob eine Phalloplastik, wie du sie dir vorstellst, also ggf. ohne Harnröhrenanschluss, überhaupt durchgeführt wird (das ist in Deutschland leider manchmal schwierig, vom Schema F abzuweichen) und welche Risiken auf dich konkret zukommen würden. Klar, das ist auch wieder Zeit und Energie, die du rein investieren müsstest – aber wenn dir das Thema nicht aus dem Kopf geht, dann ist das vielleicht wert. Falls du dich dann irgendwann doch für die OP entschließen solltest, hast du dann die erste Hürde außerdem schon genommen.

Falls du das noch nicht getan hast, könntest du dich außerdem mit anderen Wegen, Genitaldysphorie zu lindern, auseinander setzen, also z.B. mit Packern oder einer Epithese, wobei letztere meistens genau fürs Urinieren bzw. für den Geschlechtsverkehr gefertigt werden. In der Hand halten kann man sie aber natürlich auch unabhängig davon, und auch der Weg zur Epithese ist stressig, aber die gesundheitlichen Risiken sind deutlich geringer.

Ich wünsche dir viel Glück auf deinem weiteren Weg!
Elias

 

 

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