Kummerkasten Antwort 200 – mein Vater äußert sich queerfeindlich, was tun?

TW: Schwulen- und Queerfeindlichkeit und Psychopathologisierung (also die Darstellung von queerer Sexualität als psychische Krankheit) werden hier angesprochen. Passt auf euch auf beim Lesen!

Hallo Fremde/r,
ich habe ein kleines Problem,ich glaube ich bin einfach nicht so ,wie andere es sich wünschen würden, ich bin zutiefst beleidigt wenn mein Vater und andere Familienmitglieder über ,,Schwuchtel” und andere Menschen die ihrem ,,Normal” abweichen lästern. Kurz gesagt, sie glauben dass ,,diese” Leute alle psychische Krankheiten haben.
Und als ob das nicht reichen würde finden sie dass alles was ich erzählen nur von der Schule eingetrichtert wird. Sie denken dass das Geschlecht einen definiert, ein Mann hat sportlich und taff zu sein ,darf niemals weinen. Und eine Frau wie ich hat sich halt weiblich zu benehmen hat, höflich sein zu jedem der einen begegnet, charmant und mit wallender Mähne. Aber ich sehe mich so nicht. Wenn ich ganz ehlich bin habe ich wenn ich dem einen Mädchen begegne immer Bauchkribbeln und habe noch nie etwas für einen Jungen empfunden habe und ich gLaube daß mein Geschlecht mich in keinstellen Weise definiert. Ich htäte niemals etwas dagegen, wenn eine Freundin von mir so etwas empfindem würde, aber ich?
Ich bin dauernd zwischen ,dass ist alles nur Einbildung und OMG dass kann doch nicht dein Ernst sein. Jedes mal wenn ich sie angucke fühle ich mich total Pervers.
Natürlich habe ich tolle Freunde mit denen ich mich offen unterhalten kann und die der festen Meinung sind dass nicht ich die mit den Problemen bin, sondern mein Vater. Es tut mir leid ,dass ich ihn wie ein Monster klingen lasse,er hat auch viele gute Seiten.
Aber ich fühle mich trotzdem total verloren und manchmal frage ich mich warum ich so sein muss Wie ich bin.

Es tut mir leid dies ist viel länger und ausführlicher geworden und ich schicke Ihnen mein Beileid, weil sie sich mit dem chaotischen Geprabbel einer Jugendlicher auseinandersetzen musst, obwohl ihnen bestimmt Leute mit viel größeren Kummer schreiben,
Terri.

Hallo Terri,

du musst dich überhaupt nicht entschuldigen für deine Nachricht, genau dafür sind wir ja da. 🙂

Deine Situation ist eine sehr schwierige, und ich kann sehr gut verstehen, dass sie dich belastet und beschäftigt. Es ist immer sehr schwierig, sich mit diskriminierenden Menschen voller Vorurteile auseinandersetzen zu müssen, vor allem, wenn sie in einem so direkten Umfeld sind und vor allem dann, wenn du selbst von ihren negativen Aussagen betroffen bist. Dein Umfeld hat natürlich recht, dass nicht du das Problem bist in dieser Situation. Und auch, wenn ich verstehen kann, dass du deinen Vater in Schutz nehmen möchtest, ist es doch wichtig, dass du aussprechen kannst und darfst, welche verletzenden Dinge er sagt und tut. Es ist gut, dass du diese Sachen ansprichst und auch klar und deutlich sagst, was dein Vater und andere Familienmitglieder für ein verletzendes Verhalten zeigen.

Ich kann verstehen, dass du sehr an dir zweifelst, wenn du in so einem Umfeld aufwächst. Aber die Meinung deines Vaters ist eben auch nur das: eine Meinung. Und viele Millionen stimmen dir zu, dass diese Aussagen deines Vaters falsch, verletzend und nicht in Ordnung sind. Du darfst dir deine eigene Meinung bilden und hast das Recht, dich frei zu entfalten, so wie es deinen Vorstellungen, und vor allem deinem Geschlechterbild, deiner Identität und deiner Sexualität entspricht. Das ist allein deins und niemand, auch nicht deine Familie, kann dir da reinreden.

Es ist aber auch wichtig, dass du auf dich acht gibst. Nur, weil du andere Ansichten als deine Familie hast, bist du nicht verpflichtet, die Ansichten deiner Familie zu ändern. Die allermeisten Menschen sind sehr festgefahren in ihren Ansichten und es kostet unglaubliche Kraft, sie umzustimmen oder es auch nur zu versuchen. Es ist nicht deine Aufgabe oder Pflicht, jedes Mal dagegenzuhalten, wenn dein Vater oder andere Menschen diskriminierende Dinge sagen – du musst da in erster Linie tun, was dir gut tut, und kannst dich z.B. auch aus der Situation zurückziehen, gezielt das Thema wechseln oder einen anderen Umgang damit finden. Eine ständige Konfrontation kostet echt viel Kraft und ist emotional auslaugend. Finde deinen eigenen Umgang damit, pass auf dich auf und gehe auf Abstand, wo es für dich nicht mehr geht. Auch wenn diese Menschen deine Familie sind, bist du nicht verpflichtet, dich ihrem verletzenden Verhalten auszusetzen.

Suche dir Rückhalt, wo es geht, z.B. im Freund*innenkreis, bei anderen Familienmitgliedern, die nicht die Ansichten deines Vaters teilen, in queeren Gruppen und/oder Online-Communities. Du bist nicht allein, und du bist okay so, wie du bist.

Alles Gute und pass auf dich auf! <3
Balth

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