Kummerkastenantwort 229 – Darf ich mich als trans bezeichnen?
Hallo an alle die das lesen,
Ich habe eine sehr dringliche Frage weswegen ich mich an euch wende.Ich überlege schon lange welche Geschlechtsidentität ich habe und es zerstört mich immer mehr und mehr.
Ich bin als Mädchen zur Welt gekommen und ich kann auch unterschreiben dass ich mich damit auch identifizieren kann…Aber größtenteils kann ich das nicht.
Es fing schon vor der Pubertät an dass ich mich „anders“ fühlte dennoch verdrängte ich diese Gedanken.
Es wird seit einem Jahr schlimmer.
Mittlerweile kann ich nachts nicht mehr schlafen da ich mich in meinen Träumen meistens als Junge sehe.
Ich habe mittlerweile auch Anzeichen einer Dysphorie (ich möchte mich ohne Arzt nicht selbst diagnostizieren)
Seit Monaten bin ich also auf der Suche nach einem Begriff für all das und bin auf Trans gestoßen, dennoch bezweifle ich dass dieser Begriff zu mir passt, da ich mich ja noch als Mädchen identifizieren kann, nun mal nicht immer.
Was meint ihr, was kann ich tun?
Besten Dank fürs Lesen.
Myr
Hallo Myr,
Was du beschreibst, gerade das eher unbestimmte Gefühl, anders zu sein, von sich mit anderem Geschlecht träumen und auch Dysphorie sind alles Dinge, die Personen, die trans sind, häufig erleben. Dabei bedingt sich das nicht automatisch gegenseitig. Es ist weder so, dass eins Dysphorie haben muss, um trans zu sein, noch hat eins automatisch Dysphorie, wenn eins trans ist.
Wer du tatsächlich bist, und was für ein Label dazu passt, ist am Ende eine Sache, die nur du allein herausfinden und damit auch festlegen kannst. Es gibt keinen faktischen Test, den ein*e Ärzt*in durchführen könnte, um festzustellen, ob eine Person trans ist. Transsein ist somit nichts, was jemand anders für dich diagnostizieren kann.
Es gibt einige etablierte Labels, die Geschlechtsidentitäten, jenseits von „ich bin (immer) eine Frau“ oder „ich bin immer ein Mann“ beschreiben. Es gibt da sehr allgemeine „nicht-binär“ das alle Identitäten, die nicht (nur) männlich oder weiblich sind, einschließt. Menschen, für die das eigene Geschlecht eher flüssig ist und sozusagen hin und her schwappen kann, wie eine Welle im Wasser, nutzen den Begriff „genderfluid“. Und dann ist da noch „demiboy“ oder auch „demiman“, was eine Identität beschreibt, die zwar irgendwie männlich, aber nicht 100 Prozent Mann ist. „Demi“ als Vorsilbe kommt aus dem griechischen und heißt so viel wie teilweise oder halb.
Neben diesen Labels gibt es noch viele weitere, bestimmte Geschlechtsidentitäten abbilden, vielleicht findest du was, was für dich gut klingt in unserem Glossar.
Es ist auch okay, sich da unsicher zu sein und das in den selbstgewählten Labels auszudrücken. Du hast sicher schon mal irgendwo das LGBTQ-Akronym gesehen, in dem manchmal mehr und manchmal weniger Buchstaben auftauchen. Das zweite Q, so es denn dabei ist, steht für „Questioning“ – das heißt fragend. Und auch das ist als eigene Bezeichnung völlig valide.
Ein Plan für dich könnte sein mit Freund*innen verschiedene Labels (und gegebenenfalls auch Namen und Pronomen) für dich auszuprobieren. Es auch queerfreundliche Ärzt*innen und Thereüeut*innen, die gut darin sind, dabei zu helfen, rauszufinden, was passende Labels für die eigene Identität wären. Und: auch wenn es oft drängend scheint, eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Es sind große, tragende Fragen. Manchmal hilft auch Zeit lassen und nehmen.
Falls dir zu der Sache noch was einfällt oder du ein passendes Label gefunden hast, Lyr, freuen wir vom Queer Lexikon uns, wenn du uns nochmal schreibst.
Liebe Grüße
Xenia