Kummerkastenantwort 814 – kann ich trans und Autist sein?
Hey, guten Abend (oder was auch immer für eine Tageszeit ist, wenn diese Frage gesehen wird) zusammen.
Ich habe eine Weile recherchiert, aber zu meiner Frage einfach nichts gefunden, weshalb ich sie jetzt einfach mal selbst stellen möchte: Ich identifiziere mich nun seit etwa einem Jahr als agender (zuerst einfach als “neutral”, da ich mich mit Bezeichnungen nicht wirklich auskannte), reagiere auf weibliche Pronomen inzwischen recht genervt, weil es mich sehr stört, und fühle mich mit meinem Körper nicht wirklich wohl, jedenfalls nicht mit den sichtbaren Merkmalen. Jedoch habe ich früher nie ein Problem mit meinem Geschlecht gehabt, anders als alle Personen, die trans sind, von denen ich bisher gelesen habe. Zudem behauptet meine Mutter gerne, das läge an der Tatsache, dass ich Asperger-Autist bin, da es bei diesen wohl häufig vorkommt, dass man in dieser Hinsicht oft “verwirrt” ist oder was auch immer. Außerdem bin ich mitten in der Pubertät, wo man sich über dieses Thema natürlich oft Gedanken macht.
Ich fühle mich darum nun ziemlich unsicher, und habe Angst, mich selbst anzulügen, nur um “besonders” zu sein, oder weil ich mich einfach hässlich finde und darum unzufrieden mit meinem Körper bin.
Meinen Sie, dass das wirklich nur eine Phase ist und an der Pubertät oder an Unzufriedenheit gegenüber mir selbst liegt?
Und kann eine Person überhaupt ein anderes Geschlecht sein, als das, mit dem sie geboren wurde, auch wenn man sich nicht schon immer “anders” gefühlt hat?
Ich hoffe, dass Sie meine Fragen beantworten können und bedanke mich schon einmal im Vorraus.
Viele Grüße
Hi,
ich bin Fluff, genderfluid und Autist_in. Also kurz gesagt, ja, es ist absolut möglich, gleichzeitig trans und autistisch zu sein.
Jetzt die längere Fassung: Ich hab meine Diagnose erst relativ spät bekommen (mit Anfang zwanzig) und mich vorher schon als genderfluid geoutet. Einige Zeit später habe ich mir Bilder aus der Zeit angesehen, als ich so ca. 16 war und aus heutiger Perspektive kann ich sagen, dass ich bereits damals schon sehr, sehr queere Vibes ausstrahlte (auch, wenn ich mich für mich immer noch als Frau bezeichnet hätte).
Die meisten trans Personen nehmen schon früh wahr, dass sie “anders” sind, andere jedoch outen sich erst in der Pubertät (oder noch später). Das liegt auch daran, dass die Gesellschaft, in der wir leben, kein Verständnis für fluide Geschlechter hat und eine weitere Binarität eröffnet: Entweder 1 WUSSTE SCHON IMMER, DASS 1 TRANS IST oder 1 ist cis.
Zu einem Outing-Prozess gehört aber deutlich mehr, unter Anderem, Worte für das eigene Empfinden zu haben und darüber sprechen zu können. Außerdem das Gefühl, nicht alleine mit dieser Wahrnehmung zu sein und sich in anderen wieder-zu-erkennen. (Zum Beispiel zu sehen, dass es auch noch andere trans Personen gibt – oder ÜBERHAUPT trans Personen).
Die Aussage deiner Mutter finde ich sehr daneben, warum sollten gerade Autist_innen verwirrt sein? Ich glaube nicht, dass du dich selbst anlügst oder deine Probleme mit deinem Körper auf diese Weise kaschieren willst.
Vielleicht wäre ein Binder (und/oder ein Packer) für dich eine Idee, um mit deiner Dysphorie umgehen zu lernen? In den Links findest du mehr Informationen darüber.
Lieben Gruß
Fluff