Kummerkastenantwort 961: Ich glaube nicht, dass ich ein Mädchen bin.
CN: Dysphorie, speziell Stimme und Brust
Hallo liebes Team,
Ich wollte euch zuerst einmal für alles danken, ihr macht das hier super und eure Seite hat mir schon sehr geholfen! Ich finde es wichtig, dass es Informationen zu LGBTQ+ gibt, in der Schule haben wir nie darüber geredet, weder in Sexualkunde noch sonst irgendwann, und wenn man dazu Fragen stellt, wird man sofort schief angeguckt.
Ich wurde bei meiner Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet, und sehr lange habe ich das nicht hinterfragt. Ich war irgendwie auch stolz darauf, ein Mädchen zu sein, bzw ich fand es immer unfair, weniger zu dürfen als Jungen, und war stolz darauf, dass ich es immer trotzdem getan habe. Also ich war stolz darauf, ein rebellisches Mädchen zu sein.
Seit ca. zweieinhalb Monaten bin ich mir aber gar nicht mehr sicher, ob ich ein Mädchen bin.
Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich enge Sachen trage oder auch einfach Kleidung, die klar weiblich zugeordnet wird. Schuhe oder so beispielweise. Ich versuche, weite Pullis zu tragen und alles, und ich habe auch zweimal versucht, mir die Brust mit KT Tape abzubinden, hab mich aber irgendwie zu blöd angestellt sodass es gar nichts gebracht hat und es dann gelassen. Und ich habe meinen Namen immer gehasst, aber dass kann auch daran liegen, dass vier doofe Buchstaben von denen zwei Vokale sind einfach nur hingerotzt klingen.
Seit ich angefangen habe, darüber nachzudenken, fallen mir immer mehr Sachen auf, die schon seit einiger Zeit so sind, z.B. dass ich zu Beginn meiner Pubertät zwar nicht völlig geschockt war, aber sehr lange gebraucht habe, um damit klarzukommen, dass ich eben keine flache Brust mehr habe. Ich frage mich, ob das normal ist. Ich bin jetzt fünfzehn, und bisher war meine Pubertät nicht angenehm, aber auch kein Schock.
Oder dass ich oft vor dem Spiegel stand und versucht habe, mir einzureden, dass das wieder in Ordnung kommt, ich würde ja noch wachsen.
Oder dass ich meine Stimme oft als zu hoch und zu Mädchenhaft und als unangenehm empfunden habe.
Und wenn ich jetzt zurückblicke, fallen mir eine Menge Situationen ein, die darauf hindeuten, dass ich trans bin. Aber weil das alles so plötzlich kommt, bleibt halt der Gedanke, dass ich mir einrede, das wäre immer so gewesen, dass ich mir überhaupt alles einrede.
Und dass ich meine Oberweite hasse ist mir auch erst ‘aufgefallen’ als ich angefangen habe, darüber nachzudenken, dass meine Stimme mir wahrscheinlich deshalb nicht gefällt, weil ich gerne eine männlicher hätte und dass mich dieser alberne Damenbart über der Oberlippe wahrscheinlich deshalb nur stört, wenn mich jemand darauf anspricht, weil ich gerne wenn ich älter bin einen richtigen Bart hätte, auch.
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Rede ich mir das ein, weil ich nach diesem Anzeichen suche und jetzt alles anders interpretiere? Kann eins das nach zwei Monaten überhaupt wissen, ob eins trans ist? Ich weiß nicht, wie lange ich mit dieser Unsicherheit noch klarkomme.
Entschuldigt den Roman…
Vielen Dank für eure Hilfe!
M
Hallo M.!
Danke für deine Nachricht. Das kling ja einerseits so, als hättest du dich schon echt lange damit beschäftigt, andererseits aber auch so, als möchtest du dich nicht unbedingt damit beschäftigen und hast es “weggeschoben”.
Beides ist völlig normal. Genauso normal ist es, sich in der Pubertät im eigenen Körper “unwohl” zu fühlen und die Veränderungen als “unangenehm” zu empfinden. Gleichzeitig findest du aber sehr spezifische Veränderungen (die mit dem dir zugeschriebenen Geschlecht zusammenhängen) als unangenehm.
Das “das rede ich mir nur ein” haben viele trans Personen, wir haben beim Queer-Imposter-Syndrom darüber geschrieben.
Ich kann dir nicht sagen, ob du trans bist oder nicht, das ist eine Entscheidung, die du nur für dich selbst treffen kannst. Allerdings gibt es auch keine zeitliche Begrenzung, du musst dir nicht erst eine bestimmte Zeitlang sicher gewesen sein, um dich outen zu dürfen. Wenn du dich mit dem Label “trans” wohlfühlst, dann ist es das richtige für dich. Wenn du dir eine flache Brust wünschst, würde ich dir unsere Binder-Broschüre empfehlen, um sicher und korrekt abbinden zu können.
Die Unsicherheit kann ich dir leider nicht nehmen, aber ich denke nicht, dass du “dir alles nur einredest”. Du bist gut und valide so, wie du bist – ob trans oder cis.
Lieben Gruß
Fluff