Kummerkastenantwort 5.032: Bin ich agender oder ein unmännlicher Mann?
Hallo! Ich bin 21 und männlich, oder, zumindest habe ich besagte 21 Jahre immer als Mann gelebt.
Vorerst, wenn ich von “männlich” schreibe, dann meine ich die traditionelle konservative Idee vom “Mannsein”. Bitte versteht mich nicht falsch, ich finde dieses Stereotyp veraltet und habe das immer abgelehnt, ich verwende den Begriff ausschließlich um meine Gedanken vielleicht etwas leichter rüberzubringen.
Ich war noch nie der sehr “männliche” Typ und werde aufgrund meines Verhaltens (interessiere mich kaum für stereotypisch männliches) und Aussehens (lange Haare) häufig als unmännlich bzw weiblich beleidigt. Ich weiß dass es Beleidigungen darstellen sollen, jedoch stimme ich innerlich meist zu und seh das als korrekt, ich bin kein sehr männlicher Mann. Ich habe mir öfters die Frage gestellt, ob ich ein “echter Mann” bin, habe diese Gedanken aber immer schnell verworfen. Ich habe mir immer eingeredet, dass ich ja nur den “männlichen sozialen Pflichen” entkommen will und dass ich zwecks attestierten Autismus halt auf viele Arten anders bin. Ich sah mich nie als besonders männlich, aber habe mein Mann-sein halt akzeptiert.
In letzter Zeit habe ich mir aber schon öfters die Frage gestellt, ob ich wirklich einfach nur ein “unmännlicher” Mann bin, oder ob ich nicht vielleicht agender bin. Ich habe das immer ausgeschlossen, da ich halt schon immer z.B. der Bruder meiner Schwester bin und schon immer als “Busch” galt. Jedoch ist es für mich komisch “Herr [Nachname]” zu lesen oder hören, oder Bilder von Männern zu sehen und im Kopf zu haben: “Hm, ich bin also einer von denen”
Ich dachte mir immer nichtbinäre Menschen wissen halt einfach so was sie sind. Ich habe gesehen, die meisten Menschen hier sind weitaus jünger als ich, ich hingegen mache mir erst jetzt ernsthafte Gedanken. Bin ich alleine mit den Überlegungen?
Huhu,
Erstmal: Du bist damit nicht alleine. Und es ist auch total normal und okay, dass du dir diese Fragen “erst” jetzt stellst. Alter spielt dabei keine Rolle. Vielen von uns werden solche Dinge erst später im Leben bewusst, auch weil wir (hoffentlich) irgendwann lernen, mehr zu reflektieren und so.
Das Thema mit diesen Geschlechterstereotypen ist immer kompliziert. Natürlich sind die nicht gut, aber manchmal können sie uns auch helfen, über unser Geschlecht nachzudenken und darüber, wer und wie wir eigentlich sein wollen. Dabei kann auch Autismus eine Rolle spielen, gerade wenn es um das (fehlende) Zugehörigkeitsgefühl oder das “nicht reinpassen” in das erwartete Geschlecht geht.
Auf deine Frage können wir dir leider keine eindeutige Antwort geben. Es kann sein, dass du ein Mann sein, der einfach diesen Stereotypen nicht entspricht – oder du bist kein Mann. Oder irgendwas dazwischen. Wichtig ist ja vor allem, dass du dich wohlfühlst. Du darfst auch ein Geschlecht haben, das nicht durch Verhalten, Stereotype, Rollen etc. definiert ist.
Was du tun kannst, ist vor allem zu schauen, womit du dich gut fühlst und ein bisschen experimentieren: Welche Bezeichnungen, Pronomen, Klamotten, Frisuren etc. fühlen sich gut an? Und kannst du daraus vielleicht was über dein Geschlecht ableiten?
Liebe Grüße,
Dein Kummerkasten-Team