Kummerkastenantwort 5.100: Ich trauere um meine Kindheit, in der ich nicht ich selbst sein konnte.

Moin



Das erste Mal bewusst geoutet habe ich mich mit 14. Trotzdem habe ich das Gefühl, mich spät geoutet zu haben.



Ich hatte schon als Kind so eine Ahnung, dass ich queer sein könnte, kannte das Wort aber nicht.

Mit 4 hatte ich durch einen Radiobeitrag zum ersten Mal von Transgeschlechtlichkeit gehört und mir viel Gedanken darum gemacht, ob ich trans bin. Es passte so halb. Ein Mädchen wollte ich nicht sein, ein Junge wollte ich auch nicht sein. Ich wollte einfach nur ein Kind sein, aber ich konnte nicht. Immer sollte ich mich ins binäre System einordnen.

Was ich sagen konnte war: Ich bin anders. Es half mir nur leider nicht weiter.



Mir fehlten Worte. Leute lobten mich, dass ich mich „traue, ich selbst zu sein“. Mich machte das traurig. Ich konnte nicht sein, wer ich bin, denn ich wusste nicht, wer ich war.



Ich mochte meinen Namen nicht, aber wusste nicht, warum.

Ich ließ die Pubertät über mich ergehen und konnte nicht sagen, wie schlecht es mir damit ging.



Mit 9 war mir klar, dass ich nicht hetero bin. Ich dachte, dass ich lesbisch bin, aber das beschrieb mich nicht ganz, dann dachte ich, als Junge wäre ich schwul, was mich nur noch mehr verwirrte. Ich nahm an, hetero zu sein und war extrem unglücklich damit.



Als meine Biolehrerin queerfeindlichen Mist erzählte, konnte ich mich nicht wehren und nicht darüber reden, da es so weh tat.



Im Gymnasium outete ich mich – ohne es selber irgendwie mitzubekommen – bei einem Mitschüler (und dann auch etwa bei der ganzen Klasse). Zuerst als gay, dann als trans.



Erst, als ich wegen meines Autismus nicht mehr in der Lage war, zur Schule zu gehen, hatte ich Zeit für mich. Endlich konnten Dinge klarer werden.



Obwohl ich jetzt sein kann, wer ich bin, bin ich oft sehr traurig. Ich habe das Gefühl, dass mir meine Kindheit fehlt. Wenn ich zurückdenke, ist da so viel unnötiger Schmerz.

Aber ich habe das Gefühl, dass das niemand versteht, da ich ja jung bin (19) und sein kann, wer ich bin.



Danke, dass es euch gibt,

Riley

Hallo Riley,

Danke, dass du diese Gedanken mit uns teilst. Viele queere Menschen machen ähnliche Erfahrungen wie du, trauern ebenfalls um ihre Kindheit und Jugend usw. Vielleicht kannst du in deiner Community Menschen finden, mit denen du dich darüber austauschen kannst?

Ansonsten: Gibt es vielleicht Dinge, die du jetzt nachholen kannst und magst? Nur weil du über 18 bist, heißt das ja nicht, dass du nicht kindlichen Spaß haben darfst (und dieses Mal kannst du du selbst sein!).

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,

Annika

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Eine Antwort

  1. Tim sagt:

    Genau so geht es mir auch. Ich gebe oft meinem Kindheits-Ich die Schuld, sich nicht früher geoutet zu haben, und versucht zu haben, sich „wie die anderen Mädchen zu verhalten“. Es ist ziemlich blöd, dass das nun unveränderbar ist.
    Es gibt generell viel zu wenig öffentliche Aufklärung bzgl. Trans-/Queersein, was u.a. auch zu Ausgrenzungen solcher Menschen führt, und traurig ist.
    Ich will nur damit bestätigen, dass Du definitiv nicht alleine bist. Es wäre bestimmt eine sehr gute Idee, sich mit anderen queeren Menschen darüber auszutauschen (vl. auch im Regenbogenchat) Viele Grüße und Alles Beste, Tim =D

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