Kummerkastenantwort 5.618: Kann ich trotzdem trans sein?
Hi, liebes Team!
Jetzt melde ich mich schon zum dritten Mal, aber ich möchte euch noch mal sagen, wie sehr ihr mir bei meiner Unsicherheit und bei meinem Coming-Out helft. Das ist echt mega!
Ich (AFAB, 13) hinterfrage seit ca. 2 Jahren mein Geschlecht und momentan identifiziere ich mich als trans Mann.
Ich habe allerdings noch große Zweifel, weil ich auf Männer stehe. Außer bei meiner Freundin, da muss ich mir ständig so was wie „Ich hab dich lieb“ oder einen Kuss verkneifen. Aber das ist für mich eher so wie erweiterte Geschwisterliebe und wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, damit ich mich mehr wie ein „richtiger“ trans Mann fühle.
Ganz früher dachte ich, wenn man groß wird, wird man ein Junge und bekommt rote Haare (wie mein großer Bruder). Ich habe immer Stereotypen beider Geschlechter erfüllt. Montags war Ballett, dienstags war Fußball. Und ich hatte immer lange Haare. Ich weiß, das sind nur Klischees und das sagt gar nichts über mein Geschlecht aus, aber es verunsichert mich trotzdem. Als ich Fußballprofi werden wollte, war auch immer mein Ziel in der Nationalmannschaft der Männer spielen. Aber nicht als Mann, sondern als nicht erkannte Frau in einer Männerrolle. Außerdem habe ich mich einmal in der Grundschule als Junge verkleidet. Wenn ich wirklich trans wäre, dann hätte es doch zu dem Zeitpunkt „click“ machen müssen und ich hätte denken müssen:“So will ich immer leben.“ Dem war aber nicht so. Ich habe mich gefreut, als jemand gesagt hat:“Cooles Kostüm“ und als jemand mich fast nicht erkannt hat. Ich habe mich nicht gefreut, als jemand nicht erkannt hat, was es sein soll, aber das war es auch schon. Ich habe mich auch gefreut, wenn jemand gesagt hat ich sei „jungselig“. Einmal beim Hosenkauf habe ich auch nur in der Jungenabteilung etwas gefunden. Das waren aber eher Einzelfälle und insgesamt würde ich mich als eindeutig feminin in meiner Vergangenheit einstufen.
Meine Frage ist also: Kann ich trotzdem trans sein?
LG Felix 🌈😊
Hallo Felix!
Oft hört man von dem einen „Schlüsselerlebnis“ das (trans) Personen haben, das dann auch noch im jungen Alter war usw. aber ich z.B. habe es eher anders erlebt: Viele kleinere und auch größere Momente und Gedanken (so wie du es auch beschreibst), die theoretisch ein solches Schlüsselerlebnis hätten sein können, aber nicht waren. Eher war es so, dass all diese Momente, Gedanken, Gefühle und Erlebnisse, die gesammelt zu einer Realistation geführt haben und dann im Rückblick so ein „Ah ja, das macht irgendwie Sinn“-Moment waren. Und trotz der Realistation und dem Rückblick, war nicht jeder Moment und Gedanke in meinem Leben genau das. Man hat nicht immer nur Momente, die blöd gesagt, vor Männlichkeit strotzen und Stereotype von Männlichkeit oder spezifisch auf Trans-Männlichkeit erfüllen.
Im Endeffekt kommt es darauf an, wie du dich fühlst und nicht darauf, was du von deiner Geburt bis heute getan oder nicht getan hast.
Es gibt auch viele trans Männer, die nur oder auch auf Männer stehen. Das ist also bei weitem kein Auschlusskriterium, keine Sorge 🙂
Alles Gute
Joshua