Kummerkastenantwort 5.788: Ich verstehe meine Anziehung nicht

Hallo liebes Queer Lexikon Team.



Ich weiß, dass ihr mir nicht sagen könnt, welches Label für mich richtig ist, aber ich bin einfach total verwirrt, vielleicht könnt ihr zumindest etwas Licht ins Dunkel bringen.



Ich weiß einfach nicht, wen oder was ich anziehend finde. Ich weiß, dass ich starke ästhetische Anziehung zu Personen aller Art empfinde. Das ein oder andere mal habe ich diese Anziehung sicherlich auch schon mit sexuelle Anziehung verwechselt, wobei es dann immer daran gescheitert ist mir wirklich etwas mit der Person vorzustellen. Ich hatte Beziehungen mit Frauen, habe es auch hier und da mit Männern versucht aber bin nach höchstens 2 Wochen geflüchtet weil ich mich so unwohl gefühlt habe. Ich finde aber den männlichen Körper schön und habe auch manchmal Fantasien mit Männern. Ein Mal hatte ich was mit einem Mann (nur Petting aber) und das war auch eigentlich ganz schön, wobei ich nicht wirklich viel spüre weil ich einfach sehr unempflindlich bin, es bringt mir also nicht viel. Generell finde ich Sex eher befremdlich. Außer Fantasien halt. Die habe ich zu 90% mit Männern, selten mit Frauen. Aber ich mag es, wenn mich außenstehende als lesbisch bezeichnen, weil ich „gay aussehe“. Und ich mag es auch „gay auszusehen“. Aber darf ich mich als gay bezeichnen, wenn ich wie oben beschrieben Männerkörper schön finde und Fantasien mit Männern habe? Ich weiß gar nicht ob ich überhaupt Anziehung verspüre, die meisten Menschen finde ich einfach eher schön, als heiß oder sexy… es fühlt sich meistens eher an wie große Bewunderung, ich mache manchmal auch anzügliche Witze, aber die Antwort auf die Frage ob ich es mit denen machen würde wenn ich könnte ist meistens nein.



Ich verstehe mich selbst einfach nicht.

Heyyo,

vielen Dank für deine Nachricht. Entschuldige bitte, dass die Antwort so lange gebraucht hat!

Es klingt, als würdest du dir sehr viele Gedanken machen, und das ist absolut verständlich – Identität, Anziehung und Sexualität sind komplexe Themen, die sich oft nicht in ein klares Schwarz-Weiß einteilen lassen. Es ist total okay, dass du (noch) keine eindeutige Antwort für dich gefunden hast. Du bist damit nicht allein.

Was du beschreibst – dass du ästhetische Anziehung spürst, aber nicht unbedingt sexuelle; dass du Fantasien hast, aber echte Situationen dich eher befremden; dass du Bewunderung für Menschen empfindest, aber selten oder nie das Bedürfnis hast, tatsächlich körperlich intim zu werden – das alles kann auf asexuelle und/oder aromantische Spektren hindeuten. Das bedeutet nicht, dass du gar keine Anziehung empfinden musst, sondern eher, dass sie anders funktioniert oder sich anders zeigt als bei den „meisten“ Menschen.

Vielleicht könntest du dich mit Begriffen wie demisexuell, gray-asexuell oder aegosexuell (Fantasien ohne Wunsch nach tatsächlicher Handlung) mal näher beschäftigen. Auch die Unterscheidung zwischen ästhetischer, romantischer und sexueller Anziehung kann helfen, mehr Klarheit zu gewinnen.

Du fragst auch, ob du dich als „gay“ oder „lesbisch“ bezeichnen darfst, obwohl du Fantasien mit Männern hast. Die Antwort ist: Wenn du dich mit dem Label „lesbisch“ wohlfühlst, dann darfst du das auch so verwenden. Labels sind keine Prüfungen, die man bestehen muss – sie sind Werkzeuge, die dir helfen sollen, dich auszudrücken und dich selbst zu verstehen. Wenn dir das Label „lesbisch“ oder „gay“ Sicherheit gibt oder sich stimmig anfühlt, darfst du es nutzen, unabhängig davon, was deine Fantasien manchmal beinhalten oder was du „theoretisch schön“ findest.

Deine Selbstbeschreibung zeigt, dass du sehr feinfühlig und reflektiert bist. Vielleicht brauchst du einfach noch ein wenig Zeit und Raum, um dich weiter zu entdecken. Und vielleicht ist dein „Label“ gar nicht das Wichtigste – vielleicht darfst du dich auch einfach so annehmen, wie du gerade bist: neugierig, sensibel, und nicht eindeutig kategorisierbar.


Queere Grüße, Kay

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