Kummerkastenantwort 2.698: Ich bin trans, kann/will mich aber nicht outen.

Hallo Queer-Lexikon-Team,
ich habe vor einer Weile herausgefunden, dass ich trans bin und bin nach einer längeren Questioning-Phase auch innerlich in meiner Identität sicher. Ich habe einen neuen Namen und für mich passende Pronomen, die ich in meinem Kopf für mich selbst nutze.

Mit der zunehmenden inneren Sicherheit geht nun aber ein Problem einher, das gefühlt auch immer mehr zunimmt:
Ich fühle so eine Art steigenden Druck, mich am liebsten sofort zu outen, damit die Leute in meinem Umfeld mich auch entsprechend sehen und ansprechen.

Ich finde es mittlerweile auch unangenehm, mich neuen Leuten vorzustellen, weil das nur noch mehr Leute sind, die mich unter einer falschen Identität kennenlernen.

Wenn ich in die entsprechende “Geschlechter-Box” gesteckt werde (das passiert ja oft nebenbei), würde ich am liebsten explodieren und klarstellen, dass ich da aber gar nicht hingehöre.

Ich möchte (kann?) mich aber gerade nicht allgemein outen.
Ansonsten habe ich das meiste so weit geändert, wie ich mich wohlfühle, z. B. Haare und Kleidung; eben Sachen, die ich auch ohne Coming Out machen kann, ohne dass es zu sehr auffällt.

Manchmal denke ich, dass ich das alles am liebsten gar nicht rausgefunden hätte.
Davor hatte ich zwar einige unspezifische Probleme mit meinem Geschlecht, aber das lief eher im Hintergrund und ich habe mir unbewusst Workarounds für den Umgang damit angewöhnt.
Jetzt weiß ich zwar, was das “Problem” ist, aber die Lösung scheint viel schwerer und komplizierter.

Gibt es außer einem Coming Out noch Strategien, die hier als Workaround helfen könnten?

Ich dachte immer: “Ich habe es so viele Jahre geschafft, ‘als Frau zu leben’, das hältst du auch noch länger (das ganze Leben lang?) durch.”
Nur bröckelt diese Fassade gerade immer mehr und ich weiß nicht, ob das so ein realistischer Ansatz war.
Bei einer Person bin ich nun schon geoutet, weil der Druck so groß wurde. Das lief zum Glück auch gut.

Freundliche Grüße
Anonym (er/ihn)

Hallo!

Glückwunsch zu deiner Selbsterkenntnis!

Ich kann auch verstehen, dass es sich gerade so anfühlt, als wärst du ohne sie besser dran gewesen. Das eigene Transsein vollständig zu verdrängen und damit sein Leben lang wirklich glücklich zu sein, ist aber in der Tat unrealistisch.

Du hast nicht geschrieben, warum du dich nicht outen kannst oder möchtest. Natürlich steht dein Sicherheitsgefühl an erster Stelle! Ich drücke dir aber die Daumen, dass sich deine Situation irgendwann ändert. Vielleicht kann ja auch die Person, bei der du inzwischen geoutet bist, dich etwas unterstützen?

Wenn es für dich aktuell nicht infrage kommt, dich bei den Leuten zu outen, die schon in deinem Leben sind, könntest du Kontakt zu queeren/trans* Gruppen suchen. Vielleicht gibt es bei dir in der Gegend ein queeres Jugendzentrum oder eine queere Selbsthilfe bzw. Community? Dort wärst du unter Leuten, die deine Situation ggf. selbst kennen, und könntest du dich mit richtigem Namen und Pronomen vorstellen. So hast du einen Rückhalt, um durch die Zeiten im Deadname-Modus zu kommen.

Je nachdem, ob die Menschen in deinem Umfeld wissen, was die Farben bedeuten, kannst du möglicherweise auch Trans-Pride-Farben als Accessoire tragen, um dich selbst daran zu erinnern, wer du bist, und anderen trans Menschen subtil mitzuteilen, dass du zu ihnen gehörst.

Für Jugendliche und junge Erwachsene haben wir auch einen moderierten und verschlüsselten Regenbogenchat, der unter der Woche nachmittags geöffnet ist. Schau doch gerne auch dort mal vorbei!

Alles Gute
Vanessa


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