Auf dieser Übersichtsseite findest du eine kurze Definition von ,Regenbogenfamilien‘, einen ausführlichen Text über Familienvielfalt und Regenbogenfamilien und weiterführende Links und Bücher zum Thema. Wenn du noch Fragen hast, schreib uns eine Nachricht – z.B. über unseren anonymen Kummerkasten.
Kurzdefinition
Eine Regenbogenfamilie ist eine Familie, in der eins oder mehrere Elternteile nicht heterosexuell und / oder cisgeschlechtlich sind. Z.B. also, wenn die Eltern lesbisch oder schwul sind, ein Elternteil bi+sexuell ist, es sich um eine polyame– Konstellation handelt, oder eins oder mehrere Elternteile trans oder intergeschlechtlich sind. Außerdem wird es auch als Regenbogenfamilie bezeichnet, wenn sich zwei oder mehr Personen zusammentun, die nicht ineinander verliebt sind, um gemeinsam ein Kind zu bekommen und / oder aufzuziehen. Das kann z.B. daran liegen, dass sie a_romantisch sind, oder dass sie ihr Familienleben schlichtweg anders gestalten wollen als die klassische Kleinfamilie. |
Was ist Familienvielfalt?
Unter „Familie” stellt man sich oft ausschließlich (cis) Mutter-Vater-Kind-Familien vor – dabei ist die Lebensrealität von vielen Menschen eine andere: Sie leben in Familien mit zwei Müttern oder Vätern, in Familien mit mehr als zwei Elternteilen, Familien mit trans Elternteilen, Patchwork-Familien, Mehrgenerationenfamilien, in Mutter-Vater-Kind-Familien, in denen die Mutter arbeitet und das neue IKEA-Regal aufbaut und der Vater kocht und super gut trösten kann. Sie sind Kinder von Alleinerziehenden, oder sie wurden adoptiert oder wuchsen in Pflegefamilien oder Wohngruppen auf. Manche Familien sind auch Familien ohne Kinder. Um diese Vielfalt soll es auf dieser Seite gehen – und dabei vorrangig Regenbogenfamilien. Oft bezieht sich dieser Begriff nur auf gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern – eigentlich meint er aber alle Familien, bei denen mindestens ein Elternteil Teil der queeren Community ist. Der „Regenbogen“ leitet sich von der Regenbogenfahne ab, dem internationalen Symbol der queeren Community. Es wird geschätzt, dass in Deutschland bis zu 3 Millionen Kinder in Regenbogenfamilien aufwachsen.
Elternschaft ist beim Sprechen über Familie ein wichtiger Begriff. Dabei können wir zwischen verschiedenen Formen von Elternschaft unterscheiden:
- Genetische Elternschaft meint die genetische Verwandtschaft mit dem Kind. Das sind die Personen, die das Spermium, die Eizelle und den Eizellkern zur Zeugung des Kindes beitragen.
- Gebärende Elternschaft meint die Person, die mit dem Kind schwanger ist und es zur Welt bringt und ggf. auch stillt (ggf. lässt sich hier auch von stillender Elternschaft sprechen – eine Schwangerschaft ist keine Voraussetzung dafür, ein Kind stillen zu können).
- Rechtliche Elternschaft meint die Personen, die das Sorgerecht für das Kind haben. In Deutschland können nur maximal zwei Personen rechtliche Elternteile eines Kindes sein.
- Soziale Elternschaft meint die Personen, die mit einem Kind eine emotionale Beziehung haben, die für es Verantwortung übernehmen, die für es sorgen und es aufziehen. Das können mehr als zwei Personen sein.
Für die meisten Kinder sind ihre genetischen Eltern auch ihre rechtlichen und sozialen Eltern – für viele Kinder, zum Beispiel die, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, ist dies nicht so.
Welche Familienformen gibt es?
Zunächst eine kurze Übersicht über verschiedene Familienformen. Diese sind nicht immer klar voneinander abzugrenzen, z.B. kann eine alleinerziehende Person trans sein oder eine polyamore Familie Adoptivkinder haben.
- Die traditionellen Kernfamilie entspricht den gesellschaftlichen Normen zu Familie – sie besteht aus einem heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Vater, einer heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Mutter und deren genetischen Kindern. Die Eltern entsprechen außerdem den traditionellen Geschlechterrollen, d.h. Mama kocht und Papa mäht den Rasen. Die Eltern haben hier also die genetische, gebärende, rechtliche und soziale Elternschaft in sich vereint.
- Im Gegensatz dazu entsprechen die Eltern in einer cis hetero-Familie mit nicht-traditioneller Rollenverteilung den Geschlechteranforderungen nicht, z.B. weil Mama Hauptverdienerin ist und Papa Elternzeit nimmt. Aber auch hier sind die Eltern cisgeschlechtlich, heterosexuell und haben die genetische, gebärende, rechtliche und soziale Elternschaft inne.
- Bei einer alleinerziehenden bzw. Ein-Eltern-Familie zieht eine erwachsene Person ein Kind (oder mehrere) ohne die Hilfe anderer Eltern auf. Die rechtliche und soziale Elternschaft ist teilweise aber mit (z.B. dem anderen genetischen Elternteil) geteilt.
- Bei einer Patchworkfamilie bringt mindestens ein Elternteil Kind(er) aus einer früheren Beziehung in die neue Familie mit. Kinder aus Patchworkfamilien haben oft mehr als zwei Personen, die eine soziale Elternschaft übernehmen – die rechtliche Elternschaft ist bei Patchworkfamilien unterschiedlich geregelt.
- In einer Pflegefamilie werden Kinder vorübergehend oder auf Dauer aufgenommen. Diese Eltern haben die soziale Elternschaft inne und mit Einschränkungen auch die rechtliche.
- In einer Adoptivfamilie ist ein Kind (oder mehrere) adoptiert, d.h. obwohl Eltern und Kinder nicht genetisch verwandt sind, sind sie dies rechtlich und sozial.
- In einer Wohngruppe sind Jugendliche für einen bestimmten Zeitraum untergebracht, z.B. wegen ihrer Lebenssituation, Vorgeschichte oder Erkrankungen (z.B. psychische Erkrankungen oder Erkrankungen der Eltern). In Wohngruppen wird keine soziale Elternschaft übernommen, sondern pädagogisches und therapeutisches Personal.
- In einer Regenbogenfamilie ist mindestens ein Elternteil Teil der queeren Community.
- Eine trans Familie ist eine spezifische Form einer Regenbogenfamilie – hierbei ist mindestens ein Elternteil transgeschlechtlich.
- Eine polyamore Familie ist ebenfalls eine spezifische Form einer Regenbogenfamilie – hierbei ist mindestens ein Elternteil polyamor.
- Zu genetischer, gebärender, rechtlicher und sozialer Elternschaft in Regenbogen-, trans- und polyamoren Familien: siehe oben.
Wie können queere Menschen Kinder bekommen?
Folgende Möglichkeiten haben queere Personen, um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen:
- Eigene leibliche Kinder: Gerade trans– oder intergeschlechtliche Personen, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung mit einer cis Person sind, können leiblich eigene Kinder bekommen – z.B. kann also ein cis Mann, der Spermien produzieren kann, mit seinem Ehemann, der transgeschlechtlich ist und seinen Uterus und seine Eierstöcke behalten hat, ein gemeinsames, leibliches Kind zeugen. Hierbei gibt es aber deutliche gesetzliche Hürden – so kann durch die Geburt eines eigenen genetischen Kindes eine Personenstandsänderung einer trans Person wieder rückgängig gemacht werden.
- Eigene leibliche Kinder aus früherer Beziehung: Oft haben lesbische, schwule, bisexuelle und a_sexuelle Menschen ein Coming Out erst später im Leben, so dass sie gegebenenfalls bereits in einer verschiedengeschlechtlichen Beziehung waren und eventuell auch schon Kinder haben, die sie gegebenenfalls mit in eine neue Beziehung oder Ehe mitbringen. Auch heute noch stammen die meisten Kinder aus Regenbogenfamilien aus vorangegangen Ehen und Beziehungen der Eltern.
- Samenspende: Paare, in denen mindestens eine Person gebären kann, bekommen häufig dank einer anonymen oder bekannten Samenspende Kinder. Diese muss oft privat durchgeführt werden („Bechermethode“), da die Bundesärztekammer keinen gesicherten Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen für gleichgeschlechtliche Paare anerkennt, d.h. Ärzt*innen müssen selbst entscheiden, ob sie diese Leistung vornehmen wollen. Das ist problematisch, weil die Landesärztekammern „sittenwidrige Handlungen“ verbieten – genau definiert wird das aber nicht. Es besteht außerdem die Gefahr für Ärzt*innen, dass sie bis zur erfolgten Stiefkindadoption auf Unterhaltszahlungen verklagt werden, was vielen Ärzt*innen zu risikoreich ist. Damit auch das nicht-gebärende Elternteil die Elternschaft zugesprochen bekommt, muss das Kind nach der Geburt von diesem adoptiert werden („Stiefkindadoption“). Die Stiefkindadoption birgt einen großen Druck für die Familien, da damit eine Prüfung durch das Jugendamt, sowie die Offenlegung der eigenen Biographie, Finanzen und des eigenen Coming Outs, sowie ein Hausbesuch verbunden ist. Bei homofeindlich eingestellten Mitarbeiter*innen des Jugendamts oder Richter*innen, welche letztlich über die Adoption entscheiden, ist es selbstverständlich auch möglich, dass diese der Adoption nicht zustimmen. Bis zu einer erfolgreichen Stiefkindadoption können bis zu zwei Jahre vergehen, die für eine Familie sehr belastend sein können und Unsicherheiten, z.B. über die rechtliche Situation der Kinder im Unglücksfall bedeuten. Auch durch die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wurde dieser Missstand nicht behoben.
- Queerfamilies: Bei sogenannten Queerfamilies bilden ein Frauen- und ein Männerpaar eine Familie mit vier Elternteilen, die gemeinsam leibliche Kinder zeugen können.
- Pflegeelternschaft: Auch wenn gleichgeschlechtliche Paare nicht in allen Kommunen als Pflegeeltern anerkannt sind, gibt es diese Möglichkeit relativ häufig.
- Fremdadoption: Seit der Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare kann ein gleichgeschlechtliches Ehepaar gemeinsam ein Kind adoptieren. Da trans Personen für ihre Personenstands- und Vornamensänderung durch das Transsexuellengesetz (TSG) eine verpflichtende Psychotherapie machen müssen, werden sie in Adoptionsverfahren häufig diskriminiert.
- Leihschwangerschaft: Leihschwangerschaft ist in Deutschland verboten. Einige (Männer-)Paare gehen daher ins Ausland, um ihren Kinderwunsch so zu verwirklichen. Dabei muss in Deutschland dann der*die zweite Partner*in eine Stiefkindadoption durchführen mit denselben Schwierigkeiten, wie oben beschrieben.
Diskriminierung und Vorurteile
Queere Personen mit Kinderwunsch sind schon vor der Geburt eines Kindes Diskriminierungen und Vorurteilen ausgesetzt. Diese reichen vom Rechtfertigungsdruck für den Kinderwunsch über rechtliche Grauzonen und Hürden, bis hin zu mitunter fehlender medizinischer Aufklärung bei trans- und intergeschlechtlichen Menschen bei Maßnahmen wie einer Hormonersatztherapie oder dem Entfernen von Eierstöcken, Gebärmutter und Hoden, die dann eine leibliche Elternschaft unmöglich machen. In den letzten Jahren, insbesondere durch die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare 2017, hat sich die Situation von Regenbogenfamilien deutlich verbessert. Im Familienrecht ist allerdings das Abstammungsrecht noch nicht aktualisiert worden, so dass Kinder, die in eine gleichgeschlechtliche Ehe hineingeboren werden, von dem nicht-gebärenden Elternteil adoptiert werden müssen.
Kinder, die in Regenbogenfamilien hineingeboren werden, sind absolute Wunschkinder. Ihre Eltern haben oft sehr viele Hindernisse überwunden, um sie bekommen zu können, was einen positiven Effekt auf den Selbstwert der Kinder hat. Zudem werden sie in Familien hineingeboren, die meist nicht so festgefahren in starre Modelle bezüglich Geschlechterrollen und Arbeitsteilungen sind, da es diese für z.B. gleichgeschlechtliche Paare nicht gibt. Sie erleben also ein größeres Spektrum an Möglichkeiten für das gleichberechtigte Führen einer Beziehung, die Aufteilung von Sorgearbeit (wie Haushalt und Pflege von Angehörigen) und für elterliche Kompetenzen.
Weit verbreitet ist das Vorurteil, Kinder bräuchten eine (cis) Mutter und einen (cis) Vater, um sich „normal“ zu entwickeln – dies wurde aber wissenschaftlich mehrmals widerlegt. Hintergrund des Vorurteils ist vor allem die Annahme fester Geschlechterrollen – nicht das tatsächliche Geschlecht der Eltern. Das bedeutet: Kinder brauchen nicht unbedingt ein männliches Elternteil – aber eins, das sie sportlich fördert, ihnen handwerkliche Fähigkeiten beibringt und sie ermutigt, Wagnisse einzugehen. Das kann eine Person jeglichen Geschlechts tun. Außerdem, ganz entgegen des Vorurteils, haben z.B. viele Kinder, die in Mütterfamilien aufwachsen, Kontakt zu ihrem (genetischen) Vater.
Schulen sind – wie bei queeren Kindern und Jugendlichen auch –, die Orte, an denen Diskriminierung gegen Kinder aus nicht-traditionellen Familien, wie Regenbogenfamilien, passiert. Ca. die Hälfte der Kinder aus Regenbogenfamilien hat bereits Diskriminierung erlebt, wovon der Großteil in der Schule stattfand. Meistens handelt es sich dabei um Mobbing oder Abwertungen von Gleichaltrigen. Durch die gleichwertige bis positivere Entwicklung der Kinder in Regenbogenfamilien und sogenannte schützende Faktoren, die die Kinder stärken und schützen, verbleibt die Diskriminierung meist ohne nennenswerte Folgen für die Betroffenen. Unter schützende Faktoren fällt z.B., dass die Kinder bereits von vornherein wissen, dass sie sich wehren dürfen bzw. sollen, und an wen sie bei erlebten Diskriminierungen wenden können, z.B. besonders unterstützende Lehrer*innen oder Pädagog*innen.
Regenbogeneltern sind selbst einem zusätzlichen sozialen Stress ausgesetzt, da sie sich immer wieder als gleichwertige und gute Familie präsentieren müssen, sowie sich immer wieder vor anderen Menschen und Behörden outen müssen. Sie sind insgesamt nicht gleichberechtigt anerkannt; ihnen werden immer noch oft familienbezogene Vergünstigungen z.B. im Schwimmbad oder in Museen verwehrt.
Bücher und Webseiten zum Thema Regenbogenfamilien
Bergold, Pia / Buschner, Andrea (2018): Regenbogenfamilien in Deutschland. Abrufbar unter: http://www.bpb.de/gesellschaft/gender/homosexualitaet/269064/regenbogenfamilien
Bildungs- und Sozialwerk des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (BLSB) e.V. (2013): Mobbing an Grundschulen. Geschlechterrollenverhalten und Regenbogenfamilien. Berlin.
Gerlach, Stefanie (2012): Regenbogenfamilien in Kitas: Ein Thema für Kinder, Eltern und Erzieherinnen und Erzieher. www.heimatkunde.boell.de/2012/08/01/regenbogenfamilien-kitas-ein-thema-fuer-kinder-eltern-und-erzieherinnen-und-erzieher
Jansen, Elke / Jansen, Kornelia (2018): Sind nicht alle Familien bunt? Ein Trainingsmanual. – berührend – leicht – wirksam. Familien- und Sozialverein des LSVD (Hg.) Köln.
Rauchfleisch, Udo (2001, aktualisiert 2015): Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern – Regenbogenfamilien. Online www.familienhandbuch.de
Rupp, M. (Ed.). (2009). Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Archiv/Downloads/Forschungsbericht_Die_Lebenssituation_von_Kindern_in_gleichgeschlechtlichen_Lebenspartnerschaften.pdf?__blob=publicationFile&v=3