Kummerkastenantwort 1.547: Bin ich wirklich trans?

CN: In diesem Beitrag wird eine Essstörung erwähnt.

Hejhej liebes Queer-Lexikon-Team,

ich habe mich vor drei Monaten vor meinen Freund*innen und meiner Familie als nicht-binär trans geoutet und habe seitdem starke Zweifel an meiner Identität und rede mir mein Transdasein gerne aus.

Die Erfahrung zu machen, dass Menschen mein Geschlecht hinterfragen oder es mir sogar absprechen möchten, verunsichert mich sehr. Mir begegnet oft das Argument, dass ich erstens nicht in das Trans*narrativ hineinpasse, dass cisgeschlechtlichen Menschen bekannt ist und zweitens, dass sich momentan sehr viele transmaskuline Menschen outen würden und ich nur „auf den Zug aufspringen würde“.

Ein Outing in der Schule würde mir sehr schwer fallen, da mein bester Freund ein Transmann ist und ich in meinem Freundeskreis einige Transmänner habe. Ich habe das Gefühl, dass mir Menschen nur unterstellen würden, dass ich jetzt auch ein Teil von ihnen sein wollen würde. Ich habe bis vor kurzer Zeit noch gerne Kleider getragen und trage erst seit wenigen Woche maskuline Klamotten. Dies fühlt sich sehr gut an und ist von mir nicht nur vorgesehen, um in meiner Identität wahrgenommen zu werden.

Ich erlebe seit dem Beginnen meiner Pubertät, also seit fünf Jahren, eine sehr ausgeprägte Brustdysphorie, die im letzten Jahr noch präsenter geworden ist. Mit 12 bin ich mit einer Anorexie diagnostiziert geworden, die ich unter anderem entwickelt habe, um gegen das Einsetzen meiner Pubertät anzukämpfen. Eine soziale Dysphorie folgte erst in den letzten Monaten.

Auch wenn eine Mastektomie mein größter Wunsch ist, möchte ich mir mein Trans*sein gerne ausreden. Es wäre für mich einfacher, als cis Frau weiterzuleben und nicht ständig hinterfragt zu werden oder mich rechtfertigen zu müssen.

Ich bin 16 Jahre alt, gehe zu einer Psychotherapeutin, die mich in meinem Findungsprozess unterstützt und gehe nach den Sommerferien in die 11. Klasse.

Ich freue mich sehr über eine Antwort.

Louie

Hi Louie!

Ich glaube, ich hatte grade schon eine Frage von dir, aber ich glaube deine Probleme hier liegen doch nochmal etwas anders. 🙂

Das Problem mit den engen Vorstellungen, wie Menschen trans sein dürfen und wodurch sie trans werden ist leider ein allgegenwärtiges Problem. Fakt ist aber, dass viele trans Menschen nicht schon von klein auf in das typische Narrativ passen. Das macht sie nicht weniger trans. Es ist schon oft auffälig, dass sich im Umfeld von trans Personen noch weitere Menschen als trans outen. Das hat aber so gut wie nie etwas mit dazu gehören wollen zu tun. Es ist vielmehr das Wissen, dass es möglich ist trans sein zu können und dass man die passenden Worte lernt, um sich zu beschreiben.

Ob es einfacher ist als trans oder cis zu leben, kann dir leider niemand außer dir selbst beantworten. Du kannst damit zwar mancher Diskriminierung aus dem Weg gehen, hast aber vermutlich dafür keine Möglichkeit die medizinische Unterstützung zu bekommen, die du dir wünschst, und kannst von anderen nur als Frau wahrgenommen und entsprechend angesprochen werden. Solang sich das für dich besser anfühlt, als dich zu outen, ist das ok.

Allerdings scheinst du ja schon seit Jahren psychisch und physisch stark darunter zu leiden eben nicht cis zu sein. Das wird wahrscheinlich nicht besser, wenn du versuchst es dir auszureden. Dysphorie ist eine riesen Belastung. Ich denke, dass vielleicht ein Binder und Unterstützung durch dein Umfeld dir psychisch sehr gut tun könnten. Aber das ist immer noch alles deine Entscheidung. Du bist aber in jedem Fall trans genug, um dich trans zu nennen und die Unterstützung zu bekommen, die du brauchst.

Liebe Grüße
Lir

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