Wir hätten da ein paar Fragen
Sonntag sind Wahlen in Deutschland. Und während in Interviews, Debatten im Fernsehen und in den Tageszeitungen häufig mal über Klimapolitik, geschlechtergerechte Sprache und Corona zur Sprache kamen, was jetzt sicher keine unbedeutenden Themen sind, blieb manches auf der Strecke. Geflüchtetenpolitik zum Beispiel. Oder eben queere Politik.
Wollten wir nicht so stehen lassen. Wir ist in dem Fall nicht das Queer Lexikon, wir ist Jill und Xenia. Was haben wir also genau gemacht: wir haben zehn Fragen zu politischen queeren Anliegen formuliert. Und dann haben wir das Menschen gefragt. Per Mail. Menschen, die gerne in den kommenden Bundestag möchten und für Parteien antreten, die (a) jetzt schon im Bundestag sind und (b) [something something keine Nazis sind].
Aus Transparenzgründen haben wir da auch mal fix eine Website zusammengebaut, wo alle Antworten zu finden sind.
Wen habt ihr da jetzt genau gefragt?
Wir sind beide aus Baden-Württemberg. Daher die Landeslisten der CDU, FDP, SPD, Grünen und Linken und davon jeweils die ersten 10 Leute. Dann noch die Direktkandidieren aus sechs Wahlkreisen. Die, wo wir gemeldet sind, und dann noch 4 weitere, wo wir viele Menschen kennen. Eine Übersicht dazu ist auf der Website.
Was genau habt ihr da jetzt gefragt?
TSG-Reform, Rechte für intergeschlechtliche Personen, Elternschaft in gleichgeschlechtlichen Paaren, Mehrelternschafte, bessere Repräsentation queerer Anliegen in Parlamenten und Themen, die direkt nach der Wahl angegangen werden sollten. Auch diese Liste ist online.
Was kam dabei raus?
Wer lieber schaut statt liest: Jill hat das in einem Video verbaut. Bonus: Eichhörnchen im Hintergrund!
Und das kam von den Parteien zurück
Während Jill und Xenia durchaus ähnliche Ansichten haben, sind die von Jill im Video dargelegt. Was hier an persönlicher Einschätzung folgt, kommt von Xenia.
Vorab. Wir haben mehr als 80 Leute angefragt und wir haben 14 inhaltliche Antworten bekommen. Und ja. Kandidierende haben Stress und einen vollen Tag und Wahlkampfveranstaltungen und Privatleben und sicher nicht viel Zeit. Trotzdem. Das ist echt wenig. Diese Leute wollen gewählt werden. Und dann wäre es vielleicht fein, wenigstens zu sagen „Danke für deine Mail, leider keine Zeit für eine ausführliche Antwort, Parteiprogramm hat da aber Infos zu“. Aber bei den meisten kam einfach genau nichts.
Union
Apropos nichts: Von der Union kam nichts. Böse gesagt nehmen wir einfach an, dass das auch die Menge an Interesse der CDU ist, queere Politik zu machen.
FDP
Von der FDP haben wir mehrmals die gleiche Antwort bekommen. Was sehr okay ist. Warum? Weil die sich abgesprochen haben und Fachpolitiker_innen gefragt haben, und dann eine schlüssige Antwort aufgeschrieben haben. Das macht Hoffnung auf Abstimmungen im Bundestag, dass da niemand nach irgendeinem Bauchgefühl abstimmen wird, sondern die auch da in der Lage sind, ihre Expert_innen zu fragen. Zudem sind die Antworten inhaltlich auch ganz gut dabei. Die FDP hat dann doch noch ein paar Flecken, wo sie für Freiheitsrechte agiert.
Guter Punkt dran zu erinnern, dass es in dieser Wahl nicht nur um queere Politik geht. Die Klimapoltik der der FDP lässt sich zusammenfassen mit „hoffentlich erfindet wer was und dann wird alles super“ ist zu wenig, um dieser schwelenden Krise irgendwie Einhalt zu gebieten. Nur so als Beispiel.
SPD
Die SPD erkennt grundsätzlich zum Beispiel im TSG den Reformbedarf an. Kommt dann aber auf solche Ideen wie „Begutachtung kann man streichen, aber eine ergebnisoffene Beratung soll schon verpflichtend sein“. Was ziemlicher Unfug ist, denn wenn ich Informationen haben möchte, kann ich mich beraten lassen. Das ist fein und gut und wichtig und eine umfassende TSG-Reform brauch auch ein Recht auf Beratung. Eine verpflichtende Beratung kann aber nie auf Augenhöhe statt finden. Sie ist immer bevormundend, unterstellt, dass Menschen sich sonst nicht informieren würden und stellt uns so als unmündig dar.
Nichtsdestoweniger wäre auch das schon Fortschritt. Was aber weniger an der SPD und ihrem Vorschlag hängt, sondern mehr daran, dass das TSG allgemein kompletter Schrott ist. Aber: Wenn da fähige Leute in einer Koalition mitmachen, könnte das ja durchaus noch besser werden.
Grüne
Die solidesten Antworten kamen von den Grünen. Gut, der Fairness halber: Eine der Personen, die geantwortet hat, ist selbst trans. Das macht es einfacher, da keinen absoluten Unfug von sich zu geben. Und die Grünen haben, wie auch die FDP in der endenden Legislaturperiode auch ja Gesetzentwürfe vorgelegt, die das TSG hätten sehr gut ersetzen können. Auch in den anderen gefragten Themen haben die Grünen sehr gute Ideen.
Linke
Auch die Linken haben in der vergangen Legislaturperiode versucht starke queerpolitische Akzente zu setzen, was dann aber wegen der Gegenstimmen der großen Koalition jeweils leider nicht durchgesetzt werden konnte. Diejenigen aus der Linkspartei, die uns geantwortet haben, würden diesen Kurs aber auch weiterhin fortsetzen.
Schwierig bei der Linkspartei sind aber, beispielsweise auf der Landesliste für NRW weit oben platzierte queerfeindliche Personen. Deren Abstimmungsverhalten steht gegen die Beschlusslage der Partei und sie sind eine Minderheit innerhalb der Partei. Solange das so bleibt, ist das okay-ish. Wenn diese den Einfluss auf die Fraktion vergrößern können, wird das schwierig.
Was bleibt?
Sonntag sind Wahlen. Wenn du darfst und noch nicht per Brief gewählt hast: Geh wählen! Es gibt auch andere Themen als Queerpolitik. Digitalisierung, Umwelt, soziale Gerechtigkeit, EU, die Liste ist ziemlich lang. Wenn es nur um Queerpolitik geht, kann ich die Grünen uneingeschränkt empfehlen. Die FDP und die Linke halte ich in diesem Bereich auch für nicht verkehrt. Mit redensartlichen Bauchschmerzen ist die SPD vielleicht noch tragbar. Historisch wurde alles in diesem Bereich nur gegen die Union erreicht.