Kummerkastenantwort 3.567: Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich den Genderstern nicht nutze?

Ich bin ein neurodivergenter queerer cis Mann. Deutsch ist meine Muttersprache. Ich mag den Genderstern nicht.

Früher hat mich der Genderstern voll aufgeregt. Heute bin ich neutral. Ich benutze den Genderstern nie. Dafür pinkle ich anderen nicht ans Bein, wenn sie ihn nutzen. Ich bin mir bewusst, dass Kritik am Genderstern schnell in offene transphobe Hetze umschlägt. Ich will aber mit Hetze und Transphobie nichts zu tun haben und genderdiversen Menschen nicht wehtun oder ihre Existenz leugnen.

Nun: Ich finde, dass z.B. das Wort »Bäcker« bereits generisch ist, d.h. es steht schon für alle Personen, die diesen Beruf haben, egal ob Mann, Frau, Enby, agender, usw. Genau so läuft auch die gesprochene Sprache im Alltag bei mir ab und Leute, die ich kenne, sehen es ebenso. Dass das Wort angeblich nur Männer meinen soll, deckt sich nicht mit meiner Sprachrealität.

Im Duden steht, ein Lehrer ist *immer* ein Mann. Also kann das Wort niemals eine Frau meinen, oder einen Enby, usw.? Ich glaub, der Duden lügt hier.

Ich lehne den Genderstern nicht dogmatisch ab, er ist aber für mich redundant, weil für mich »Bäcker*in« genau dasselbe heißt wie »Bäcker«. Beide Wörter sind geschlechtsunspezifisch und synonym zueinander. Und da letzteres halt eine Silbe kürzer ist, nehme ich eben das, weil ich pragmatisch und sprechfaul bin.

Ich befürworte viele Ideen von sprachlicher Inklusion. So sage ich nicht »Meine Damen und Herren«, sondern »Hallo«, ich respektiere (Neo-)Pronomen, vermeide Konstruktionen wie »sie oder er« und bemühe mich, Genderdiverse nicht sprachlich auszulöschen. Ich mach mir oft Gedanken über Sprache und Spracheffizienz, und der Genderstern erscheint mir – im Gegensatz zu anderen Ideen – nicht sinnvoll, da redundant. (Wenn auch nicht unbedingt falsch.)

Für mich ist der Genderstern gut gemeint aber schlecht gemacht.

Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich den Genderstern nicht nutze?

Huhu,

wir können und wollen nicht darüber urteilen, ob du „gut“ oder „schlecht“ bist. In einer perfekten Welt wäre Deutsch keine Sprache mit grammatischem Geschlecht, und wir bräuchten so etwas wie einen Genderstern gar nicht. Wir leben aber leider nicht in einer perfekten Welt, und obwohl für dich „Bäcker“, „Bäckerin“ und „Bäcker*in“ genau gleichbedeutend sind, ist das bei den meisten anderen Menschen nicht der Fall. Die meisten von uns, die Deutsch als Erstsprache haben, bekommen bereits sehr früh vermittelt, dass bestimmte Wörter geschlechtsspezifisch sind, und nehmen das – auch unterbewusst – ins weitere Leben mit. Der Genderstern sorgt dafür, dass uns dieses unterbewusste klarer wird. Er ist deshalb wichtig, weil eben die meisten Menschen beim Begriff „Bäcker“ sofort an einen Mann denken.

Eine optimale oder schöne Lösung ist das natürlich nicht. Aber in einer Sprache, in der komplett neutrale Umschreibungen oft sehr sperrig oder gar unmöglich sind, hilft der Genderstern, geschlechtliche Vielfalt sprachlich darzustellen, ihr Aufmerksamkeit zu geben, und sogar ein bisschen stereotypische Rollenbilder zu bekämpfen. Und gerade deswegen finde ich es wichtig, den Genderstern zu benutzen, auch wenn er vielleicht nicht gefällt oder unästhetisch ist.

Zusammengefasst: Nein, du bist deswegen kein schlechter Mensch, sei dir nur bewusst, wie andere Menschen Sprache warnehmen und verstehen können.

Ich hoffe ich konnte deine Frage einigermaßen beantworten, auch wenn ich ein wenig ausgeschweift bin 😀

Liebe Grüße,

Aurora

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