Kummerkastenantwort 242 – „Darf“ ich meine sexuelle Orientierung an Geschlechtsteilen festmachen?

Hallo liebes Team vom Queer Lexikon,

bis vor kurzem sah ich mich noch als Heterosexuell.
Mittlerweile und nach langer Studie verschiedenster Quellen über Queere Realitäten und Nicht-Binarität bin ich da allerdings ziemlich unsicher, ob meiner sexuellen Orientierung weil ich zum Beispiel Vulven und eigentlich nach dem binären Geschlechtsmodell “weibliche” sekundäre Geschlechtsmerkmale anziehender und ästhetsicher finde (bin selber afab) als zum Beispiel einen Penis.

Aber ist das ok, meine sexuelle Orientierung auf die Intimkonfiguration von Menschen einzuschränken?
Ist es sogar transfeindlich?

Ich mache mir da wirklich Sorgen :/

Hallo,

ich glaube nicht, dass das, was du schilderst, von sich aus nicht ok oder transfeindlich ist -es aber durchaus sein kann, je nach dem, wie du damit umgehst.

Das ganze hängt für mich ein wenig an der Frage, was Heterosexualität für dich bedeutet und, was diese Erekenntnis, die du hier schilderst für dich bedeutet. Anderer Blickwinkel und in dem Fall die selbe Frage: Wie funktionieren Beziehungen?

Was meine ich damit? Nun. Wenn wir das Ganze etwas vereinfacht zu vereinfacht durchgehen, würde das ja bedeuten, dass du eben nicht hetero bist, weil du Vulven anziehend findest. Das wirkt auf mich schon deswegen holprig, weil Menschen ja nicht nur aus ihren Intimorganen bestehen und vermutlich deine Idee, hetero zu sein, ja auch irgendwoher gekommen sein muss.

Und genau so wie Menschen vielfältig und verschieden sind, sind es auch unsere Bedürfnisse. Wenn Vulven ästhetischer sind und damit -zum Beispiel- Sex für dich mit Menschen mit Vulva befriedigender ist, ist das zunächst mal einfach so. Das ist in sich auch nicht transfeindlich. Die Frage ist hier dann, was das im großen Ganzen bedeutet. Und ich glaube nicht, dass sexuelle Orientierung als einzelner Begriff – du merkst, Vielschichtigkeit ist ein wiederkehrendes Thema- viel Sinn ergibt und andererseits sehr schnell sehr wenig Inhalt hat, wenn es dabei nur um eine einzelne Eigenschaft von Personen geht. Lass das mal gedanklich durchspielen: Wir sagen für dich heißt, dass Vulven ästhetischer sind, dass du lesbisch sein musst. (Müssen tust du schonmal gar nichts, aber nur für den Gedankengang.) Dann hieße das ja, wenn der Begriff umfassend gilt, dass du all deine Dates irgendwie mit Frauen haben müsstest, alles, was mit emotionaler Nähe zu tun hat, mit Frauen haben müsstest, alles, was mit Ästhetikempfinden zu tun hat, sich auf Frauen beziehen müsste. Das klingt nicht so richtig überzeugend, oder?

Und hier lohnt es sich dann, das aufzudröseln und sich von absoluten Werten zu lösen. Das schafft Freiheit. Die Personen, mit denen du Sex haben willst, müssen nicht die sein, mit denen du in einer romantischen Beziehung sein willst. Das jetzt gesellschaftlich schon wieder schwierig, ich weiß, geht aber vollkommen ok.

Andersherum glaube ich, wäre das ganze dann transfeindlich, wenn Menschen an unnötigen Stellen auf ihren Körper oder Teile ihres Körpers reduziert werden. Sozusagen, wenn jedes Date mit der Frage beginnt, was die andere Person in ihrer Hose hat. Da werden Grenzen überschritten, das bringt Menschen in super unangenehme Situationen und das sind dann Dinge, die echt nicht okay sind.

Ich hoffe, ich konnte das für dich soweit ok aufschlüsseln. Melde dich gerne nochmal, wenn du noch Fragen hast, oder etwas unklar ist.

Liebe Grüße
Xenia

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