Kummerkastenantwort 974: Ich bin in meine beste Freundin verliebt.

Hey!
Erst mal DANKE! Es ist so toll, was ihr macht und ich glaube, es hilft echt vielen 🙂
Ich bin weiblich, 16 Jahre und schreib euch jetzt mal.
Vor einem Jahr hab ich schon immer mal gedacht, dass ich mir auch vorstellen könnte, bi+sexuell zu sein. Aber das hab ich immer Gedacht, weil ich den Gedanken schön fand und nicht, weil ich schon mal einen Crush auf ein Mädchen hatte. Wenn ich so an mein früheres Ich denke, waren da immer nur Jungs, auf die ich mal ein Auge geworfen habe. Und der letzte Crush auf einen Jungen ist nur fast ein Dreiviertel Jahr her und ich weiß auch nicht so richtig, ob er komplett weg ist. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob das alles wirklich immer Crushes waren. Ich hatte noch nie so ein Kribbeln im Bauch und vor allem hab ich mir nie gewünscht, mit meinem Crush irgendwie zusammen zu sein, geschweige denn, mehr mit ihm zu tun zu haben.
Aber nun: Vor 5 Monaten kam mir der Gedanke, dass ich in meine beste Freundin verliebt sei. Ich fand den Gedanken schön, hab mich aber gleichzeitig auch irgendwie unwohl gefühlt und war ziemlich verwirrt, ich hab den Gedanken erst mal weggeschoben. Erst als ich vor 4 Monaten bei dem Youtubekanal „Okay“ ein Video gesehen hab, wo ein Mädchen davon erzählt hat, dass sie in ihre beste Freundin verliebt sei und das aber ganz lange nicht gecheckt hast, hab ich angefangen, mich sehr damit auseinanderzusetzen, ob ich meine beste Freundin liebe, weil ich mich in dieser Story sehr wiedergefunden habe.
Meine beste Freundin ist sehr „unkörperlich“ also so umarmen oder anlehnen ist total selten mit ihr. Ich suche extrem ihre körperliche Nähe, ich traue mich aber nicht richtig. Ich frage mich, ob ich diese körperliche Nähe zu ihr suche, weil ich starke Freundschaftsgefühle hab, oder weil ich eben verliebt bin. Manchmal sitze ich neben ihr und würde sie einfach gerne küssen. Ich kann mir so gut vorstellen, mit ihr zusammen zu sein, sich zu lieben und auch intim zu werden. Aber wenn ich wirklich in sie verliebt wäre, hätte ich doch nicht diese Fragen, ob ich auf sie stehe und dann würde ich doch auch nervös sein, wenn ich bei ihr bin und wenn ich sie lieben würde, hätte ich doch auch keine Fragen mehr? Und irgendwie hab ich auch bei meinen früheren Crushes auf Jungs was anderes gefühlt und war irgendwie auch nervös, wenn sie in der Nähe waren. Wie kann man herausfinden, ob man verliebt ist?
Gleichzeitig habe ich dann angefangen, mich mit meiner Sexualität auseinanderzusetzen. Es ging mir am Anfang echt schlecht damit, dass ich nicht wusste, welche Sexualität ich habe und auch jetzt habe ich immer wieder so kleine „Tiefs“. Also es ist dann nicht schlimm, aber ich fühle mich einfach unwohl und ziehe mich zurück, damit ich viel Zeit für mich habe. Ich war mir wirklich sehr sicher, dass ich mir das Bi-sein einrede. Mittlerweile glaube ich schon, dass ich nicht gerade hetero bin (unter anderem nachdem ich euren Artikel zum Queeren-Imposter-Syndrom gelesen habe), vielleicht bin ich bi+ und damit bin ich voll okay, aber ich habe Angst, dass ich es mir doch einrede und mich nie in eine Frau verlieben werde (also wenn man meine beste Freundin erst einmal nicht beachtet, weil wenn das Liebe wär, sich das glaub ich anders anfühlen würde). Ich kann mir vorstellen, dass ich mich total von außen beeinflussen lasse, dass ich LGBTQ+ Sachen lese, sehe etc und mich reinsteigere. Kann es nicht doch sein, dass man sich einfach zu sehr einredet?
Ich hatte noch nie mit irgendeinem Menschen eine sexuelle oder romantische Erfahrung. Ich kann mir vorstellen, dass ich es aber über Erfahrungen herausfinden müsste. Oder kann man das auch so wissen?
Ich habe so viele Gedanken in meinem Kopf gestaut. Mit einer sehr guten Brieffreundin schreibe ich über das Thema, aber ausgesprochen habe ich es noch nie so richtig. Und an Outen denke ich auch nicht, ich muss mir erst mal selbst klar werden. Ab wann glaubt ihr denn, kann man sich outen im engen Freundeskreis? Muss man sich da 100% sicher sein, welche Sexualität man hat? Ich muss meine Gedanken aussprechen und eigentlich würde ich das gerne meiner besten Freundin erzählen. Eigentlich würde ich ihr gerne sagen, dass ich vielleicht auf sie stehe, weil ich mir dann doch manchmal wünsche, dass sie auf mich steht. Wenn ich ihr aber erzähle, dass ich (auch) auf Frauen stehe, dann käme die Frage: „Und stehst du auf mich?“. Und was soll ich denn darauf antworten?

Ich hoffe, man kann in diesem Wirrwarr noch durchblicken und Entschuldigung, dass es so ein Roman ist…

Danke schon ein mal im Voraus und frohe Feiertage! Ihr seid toll!

Hallo!

Erstmal vielen Dank für dein Lob, das freut uns sehr 🙂

Ich kann gut verstehen, dass du sehr viele Fragen hast, die dir im Kopf herum schwirren und dir sehr unsicher bist. Und ich weiß nicht, ob ich dir bei all deinen Fragen weiterhelfen kann. Aber hier sind mal ein paar Punkte:

  • Du musst deine sexuelle Orientierung nicht beweisen oder bewiesen haben. Du darfst dich bi nennen, ohne jegliche sexuelle oder romantische Erfahrung gemacht zu haben.
  • Du kannst dir ein Label aussuchen, z.B. Bisexualität, und wenn du irgendwann (morgen, in 3 Wochen, in 40 Jahren) feststellst, dass ein anderes doch besser zu dir passt ist das auch absolut ok.
  • In meiner Erfahrung: Wer sich so viele Fragen um sexuelle Orientierung stellt ist meistens nicht heterosexuell 😉
  • Sich in Jungs verlieben und sich in Mädchen verlieben kann sich sehr unterschiedlich anfühlen, das ist nichts ungewöhnliches.
  • Um dich zu outen musst du dir nicht 100% sicher sein. Im Zweifelsfall kannst du dich ja auch outen als “ich bin wahrscheinlich bisexuell” oder so.

Ich würde dich gerne mal in unseren queeren Chat einladen – ich glaube, ein paar queere Jugendliche um dich rum zu haben, könnte dir gut tun.

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,

Annika

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