Kummerkastenantwort 2.269: Meine Schule zwingt Menschen, sich bei den Eltern outen zu müssen.
Hey, ich bin 16, trans masc und meine Eltern haben es super aufgenommen. Ich kenne allerdings einen trans Jungen an meiner Schule, der sich nicht bei seinen Eltern outen wollte, weil die ihn sicher nicht akzeptieren würden. In der Schule hat er sich hingegen schon geoutet, damit er nicht überall misgendert wird usw. Die Schule hat ihn jedoch gedrängt, sich zu Hause zu outen bis er einwilligen musste. Seitdem ist die Situation bei ihm zu Hause mehr als schwierig.
Er, ich und ein paar andere queere Menschen und Allys an der Schule wollen jetzt, dass die Schule aufhört, Menschen zu einem Outing zu Hause zu drängen. Die Schule sagt aber, dass sie was Erziehung betrifft mit den Eltern zusammen arbeiten muss und das darunter fällt.
Geschlechtsidentität hat allerdings herzlich wenig mit Erziehung zu tun.
Ich wollte fragen, ob ihr eine Idee habt, wie wir die Schule überzeugen können, queere Menschen nicht mehr durch so einen Bullshit zu gefährden oder wisst, an wen ich mich da wenden könnte.
Liebe Grüße,
Sev
PS: danke für eure Arbeit. Ohne das Queer Lexikon wäre ich längst nicht so weit was diese Themen betrifft und auch längst nicht so motiviert, etwas verändern zu wollen. Ihr macht das super!
Hallo Sev,
wir sind grundsätzlich keine Fans davon, Menschen zu (unsicheren) Coming Outs zu zwingen. Das Vorgehen der Schule erscheint mir demnach nicht sonderlich überzeugend.
Bedingt nachvollziehen kann ich Richtlinien, dass Eltern einverstanden sein müssen, um Zeugnisse auf neue Namen auszustellen. Das ergibt spätestens dadurch Sinn, dass sie das unterschreiben müssen und es dann so oder so mitbekommen würden. Andererseits kann, was in der Schule passiert, in der Schule bleiben. Da besteht wirklich keinerlei Not, das irgendwem nach außen anzutragen.
Ich schließe mich eurer Argumentation auch an, dass das keine Frage von Erziehung ist. Und damit ist das Argument von Seiten der Schule auch nicht sonderlich schlüssig.
Mein Tipp ist: Bleibt da dran. Beschließt das als Klasse, vielleicht auch als SMV und erklärt euch nicht einverstanden. Eine Alternative müsst ihr nicht ausarbeiten, die liegt hier offen auf dem Tisch: Eltern für Namen/Pronomen im Schulalltag nicht um Einverständnis oder Kenntnisnahme ersuchen. Ihr könnt versuchen, euch die angebliche Rechtsgrundlage geben zu lassen – und mindestens argumentativ widersprechen. Vielleicht gibts auch Elternteile, die Jurist*innen sind, die euch das durchargumentieren können.
Mich hat das grundsätzlich ein wenig verwundert, deswegen habe ich für alle Bundesländer in den Schulministerien nachgefragt, ob es dazu Vorgaben gibt – bisher habe ich nur von Baden-Württemberg eine Antwort: da gibts solche Vorgaben nicht vom Ministerium aus. Allerdings gibt es in Baden-Württemberg diese Broschüre – das ist zwar alles nicht rechtlich bindend, aber vielleicht ein guter Anfang, um die eurer Schulleitung mal auf den Tisch zu legen. Insbesondere, da das Schulministerium in Baden-Württemberg in seiner Antwort diese explizit erwähnt.
Viel Glück
Xenia