CN Sex, Genitalien. Kummerkastenantwort 547: So geht es mir 18 Monate nach eurer Antwort

Hallo liebes Queer Lexikon-Team,
Ich bin das Mädchen/die junge Frau von der Kummerkastenantwort 235 (und mittlerweile 18). Ich habe damals über meine Gedankengänge geschrieben, ob und inwieweit ich a_romantisch und/oder a_sexuell bin. In den FAQs habt ihr geschrieben ihr hört gerne wie sich die Dinge nach eurer Antwort so entwickelt haben, außerdem hat Annika in ihre Antwort geschrieben es würde sie freuen. Hier bin ich also wieder, viel selbstsicherer und wohler in meiner Haut. Stellt euch schon mal auf einen langen Text ein, Entschuldigung dafür im Voraus.
Zuallererst möchte ich sagen, dass ihr echt tolle Arbeit leistet und einfach mal Dankeschön sagen, denn ihr habt mir mit euren Beiträgen sehr geholfen mich selbst zu finden und zu verstehen. Danke Annika für deine Antwort auf meine Fragen, das hat mir einiges an Selbstsicherheit gegeben.
Ich bin in den Wochen danach zum Schluss gekommen, dass ich cupioromantisch bin. Zu meiner möglicherweise A_sexualität hatte ich noch keine Antwort, aber ich wusste die würde ich nicht bekommen solange ich Sex noch nicht ausprobiert habe. In meiner Kummerkastenfrage habe ich allerdings geschrieben, dass ich (noch) keinen Sex haben möchte und mich bei dem Gedanken unwohl fühle. Ich habe dann akzeptieren können, dass ich erst irgendwann in der Zukunft Klarheit über meine sexuelle Orientierung bekommen werde, wenn und falls ich mich mit dem Gedanken Sex zu haben anfreunden kann. Dieser Gedankengang hat mir den Druck genommen eine Antwort finden zu müssen und ich komme mit der Unwissenheit klar.
Ich habe dann meinen engsten Freunden davon erzählt, dass ich cupioromantisch bin (ein paar von ihnen wussten schon, dass ich mir darüber Gedanken machte). Ich habe euch auch erzählt, dass mir wenige Monate zuvor ein Junge gestanden hat, dass er auf mich steht, ich aber nicht das Gefühl hatte ihm dasselbe zurückgeben zu können wie er mir und deswegen die Beziehung nicht eingegangen bin, obwohl ich es mir gewünscht hätte. Damals war ich mir über meine A_romantik noch nicht im Klaren. Er gehört zu einem Freundeskreis mit dem ich fast jedes Wochenende etwas unternehme, deswegen und auch weil ich mir Monate nachher noch wünschte mit ihm in einer Beziehung zu sein, habe ich auch ihm erzählt, dass ich cupioromantisch bin, sobald ich wusste, dass das auf mich zutrifft. Und auch um ihm gegenüber fair zu sein. Wir haben dann darüber geredet und da wir beide eine Beziehung mit dem jeweils anderen wollten und er wusste, dass ich ihm wahrscheinlich nicht dieselbe Art der Zuneigung entgegenbringen würde wie er mir und wir beide nicht genau wussten wie diese Beziehung sein wird, haben wir uns dazu entschlossen, es einfach zu versuchen und zu sehen wie sich die Dinge entwickeln.
Wir sind jetzt seit Jänner zusammen und es funktioniert gut zwischen uns. Über das Thema Sex haben wir geredet und er weiß, dass ich das nicht möchte (und er akzeptiert es und möchte mich zu nichts zwingen, dass ich nicht machen möchte).
Aufgrund von Pridemonth denke ich in letzter Zeit wieder mehr über meine „queerness“ nach und ich habe mir die Definitionen auf eurer Website nochmal durchgelesen. Ich bin tatsächlich nicht cupioromantisch, sondern demiromantisch – etwas, das ich vor meiner ersten Beziehung schlecht wissen konnte, aber das ist kein Problem für mich.
Ich habe weiter oben geschrieben, dass ich grundsätzlich kein Problem (mehr) damit habe nicht zu wissen ob ich a_sexuell bin oder nicht, allerdings mache ich mir in letzter Zeit wieder öfter Gedanken darüber, eben weil ich in einer Beziehung bin. Und hier würde ich gerne um eure Sichtweise bitten. Zwischen Küssen, Kuscheln und Sex liegt ziemlich viel dazwischen. Für mich persönlich bedeutet es Sex zu haben, wenn ein Penis in meine Vagina eindringt und das ist genau das was mich daran stört, der Gedanke bei dem ich mich unwohl fühle (das weiß mein Freund auch). Ich habe kein Problem mit dem ganzen drumherum (küssen, kuscheln, rummachen, …), solange nicht genau das passiert und mir gefällt auch vieles davon. Aber wenn man den ersten Gedanken nun weiterführt würde das auch bedeuten, dass ich mit Frauen keinen Sex haben kann. Allerdings gibt es viele Frauen die miteinander Sex haben. Ich schätze, dass liegt daran, dass für sie einfach mehr unter den Begriff Sex fällt als für mich, aber das ist auch nicht mein Problem. Ich habe in meiner ersten Kummerkastenfrage geschrieben, dass ich mir gut vorstellen kann mit Frauen Sex zu haben, aber wenn ich mit ihnen rummache wäre es nach meiner Definition streng genommen kein Sex. Ich habe damals auch geschrieben, dass mich der Gedanke an einen Penis irgendwie abstößt. Seitdem ich in der Beziehung bin, ist das zwar nicht mehr so, aber ich habe dennoch Hemmungen ihn in dieser Intimzone zu berühren, fühle mich bei dem Gedanken unwohl und unsicher. Ich habe auch erst durch meine Beziehung herausgefunden was genau mich an dem Gedanken Sex zu haben stört. All die Sachen die ich beschrieben habe, sind generelle Empfindungen und hängen nicht mit meinem Freund zusammen. Ich schätze das fiel gerade etwas aus dem Bereich in dem ihr mir helfen könnt/Antworten geben könnt, allerdings waren diese Gedanken für meine Fragestellung jetzt wichtig: Inwieweit fällt das ganze unter A_sexualität, wenn es nur diese spezifische Sache ist die mir unangenehm ist und ich sonst kein so großes Problem mit Intimität habe und mir auch vorstellen kann mit Frauen intim zu werden? Sind solche unangenehmen Empfindungen gegenüber Penissen bei (manchen) Lesben normal und bin ich vielleicht lesbisch? Oder können diese Empfindungen auch unabhängig von meiner sexuellen Orientierung sein? Ich finde es auch etwas schwer auszudrücken und zu definieren, inwieweit ich mich von Jemandem bzw. meinem Freund sexuell angezogen fühle. Generell tendiere ich zu nein, allerdings finde ich es schon schön wenn wir uns küssen, kuscheln etc. aber ich würde nicht sagen dass es mich sexuell anspricht bzw. bin ich mir nicht sicher wo da die Grenzen liegen.
Es tut mir leid wenn der letzte Absatz vielleicht etwas außerhalb von eurem „Zuständigkeitsbereich“ ist. Ich weiß natürlich, dass ihr mir keine endgültigen Antworten geben könnt, allerdings würde ich gerne eure Ansichten diesbezüglich hören.
Beim letzten Mal hat eure Antwort etwas länger gedauert und dafür habe ich vollstes Verständnis. Ebenso, wenn es dieses mal wieder länger dauern sollte, das ist vollkommen okay für mich – ihr seid immerhin auch nur Menschen. 🙂
Mit vielen lieben Grüßen,
T.

Hallo T.,

Du hattest leider schon recht mit deiner Voraussage – wir haben wirklich lange gebraucht, um dir zu antworten auf diese Frage. Vielen Dank für deine Erzählung, es freut mich sehr zu hören, dass wir dir helfen konnten und ich finde es toll, wie du versuchst, mehr über dich und deine Sexualität zu lernen. Außerdem gefällt mir gut, wie du mit deinem Freund so offen kommunizierst!

Wie du dir sicher denken kannst, definieren nicht alle Menschen Sex als ‘Penis-in-Vagina’, sondern anders. Ich kann mir auch vorstellen, dass es dir gut tun würde, dir über deine Definition nochmal Gedanken zu machen. Letztendlich entscheidest aber natürlich du, was für dich unter Sex fällt und was nicht. Ich glaube aber, dass das gar nicht der springende Punkt ist – sondern, es kommt darauf an, womit du dich wohlfühlst. Auch hier kann ich dir nur wieder raten: Wenn du Lust hast, verschiedene sexuelle Dinge auszuprobieren (und dein Partner selbstverständlich auch), dann probiert das aus. Viele Menschen haben ein tolles Sexleben, ohne ‘Peni-in-Vagina’ Sex zu haben, weil ihnen das nicht gefällt. Wenn du keine Lust hast, das auszuprobieren, dann ist das auch ok.

Zum Label ‘Asexualität’: Nur du kannst wissen und entscheiden, ob dass das richige Label für dich ist und niemand sonst. Wenn du es richtig findest für dich, dann nutze es! Viele Menschen verwenden dieses Label aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Geschichten. Woher dein Unwohl-Sein kommt, können wir dir aber nicht sagen. Wenn es dich interessiert, ist wahrscheinlich ein*e Therapeut*in eine gute Idee.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen und wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,

Annika

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