Kummerkastenantwort 982: Ich bin trans und meine Eltern behandeln mich furchtbar

CN: Hier geht es um Transfeindlichkeit, Gewichtsdiskriminierung und Depressionen.

Hey Leute ich brauche einen Rat

Ich bin Noah, 17 und ich bin Transgender. Letztes Jahr nach einem Flirt mit einem anderen Typ ist mir das aufgefallen. Ich hab dann recherchiert und auch die wichtigsten Tipps und Dinge die man wissen sollten raus gefunden. Mein Outing bei meinen Freunden lief auch sehr gut. Allerdings fällt es mir sehr schwer mit meiner Familie zu reden. Eigentlich haben wir ein gutes Verhältnis, doch ich bin einfach nicht gut im reden. Ich hab mich dann bei meiner Mutter per Brief geoutet. Sie hat geweint und das hat mir das Herz gebrochen. Ich habe mich sehr schuldig gefühlt.
Die Zeit verging und an dem Verhalten meiner Mutter hatte sich nicht geändert. Sie benutzte weiter hin die weiblichen Pronomen und meinen Geburtsnamen, obwohl ich ihr sagte mit welchem Namen ich angesprochen werden wollte. Als ich sie darum bat bei einer Therapeutin anzurufen, meinte sie ich muss das selber machen.
Ganz ehrlich ich hasse es zu telefonieren. Mir fällt es so schwer nur die Ziffern am Telefon zu bedienen, weil ich dann schon wieder vergesse was ich eigentlich sagen wollte.
Also ich mich dann zwei Monate nach meinem Outing so sehr unter Druck gesetzt gefühlt haben, hatte ich meiner Mutter gesagt es sei nur eine Phase, damit sie mich endlich in Ruhe lässt. Und auch weil ich Angst hatte.
Das war im Januar

Anfang März nachdem ich versucht hatte irgendwie im die weibliche Rolle zu finden gab ich es auf, das bin schließlich nicht ich. Also ging ich das ganze noch einmal an. Ich guckte nach einem Namen der zu mir passt. -> Noah Matteo
Ich fing an meine Social Media zu löschen und durch neue zu ersetzen. Ich könnte außerhalb meiner Familie und der Schule endlich ich sein ohne Zweifel daran zu haben.
Jetzt haben wir allerdings Weihnachten und vor einer Woche habe ich etwas erfahre was ich echt sauer und auch traurig macht.

Mein Vater ist ausgerastet weil ich mir wieder einmal die Seiten (der Haare ) schneiden ließ. Ihn verärgert es das ich keinen ordentlichen Haarschnitt habe und dann ich immer krumm Laufe( also mit den Schultern nach vorne damit meine Brust nicht so auffällig ist) desweiteren stört ich mein Gewicht ( ich bin Übergewicht wegen meiner Depression die ich wegen meiner Gender identity habe).
Wir haben uns gestritten und meine Mutter hat auch mitgewirkt. Sie stimmt meinem Vater zu. Es verletzt sie mich so zu sehen. …. Mein Vater hat dann gesagt das er weiß was ich meiner Mutter letztes Jahr in dem Brief geschrieben haben.
Was für mich echt ein Schock war.

Ich konnte mir nicht vorstellen das meine Mutter mein Vertrauen so Missbrauch könnte. In dem Brief hatte ich ihr gesagt sie soll es ihm NICHT sagen. Das ganze letzte Jahr verbrachte ich damit, mir Gedanken darüber zu machen wie ich es meinem Vater sagen könnte. Ich hab geweint und Wutanfälle bekommen. Ich habe meine Frust in ich gefressen (wortwörtlich). Ich musste mir Kommentar anhören, und er wusste es die ganze Zeit. Wie soll ich damit umgehen? Das Verhältnis zwischen mir und meinem Vater ist fürchterlich. Ich empfinde nichts mehr für ihn weil er mich so oft schon verletzt hat. Ich bin/war (ich mach einem Pause) in Therapie wegen meines Übergewichts und wegen meiner Depression. Mein Therapeut weiß wie schei**e mein Verhältnis zu meiner Familie ist.
Mein Problem ist ich weiß nicht weiter.
Okay mein Vater hat gesagt es ist ihn egal ob ich trans bin oder nicht. Okay das ist eine Erleichterung. Doch es ändert nichts daran dass mir ein ganzes Jahr verloren gegangen ist in dem ich schon längst mit der Hormontherapie anfangen hatte können.
Ich weiß nicht wie ich weiter machen soll. Ich werde in drei Wochen 18 Jahre alt. Ich hatte mir immer erhofft das mein Leben bis da hin endlich Sinn macht.

Naja ich hab einen Fortschritt gemacht. Ich hab mich bei einer neuen Schule beworben ( Geschlecht habe ich diverse genommen aber ich empfinde mich als ftm auch als divers) und ich haben dort sowohl also auch meinen Geburtsnamen sowieso meine “Trans” Namen Noah eingefügt. Falls ihr Typs für die Schule oder so habt erzählt sie mir bitte. Ich hin da echt unbeholfen

Ich hoffe ihr von queer Lexikon könnt mir helfen.

LG Noah Matteo

Hallo Noah Matteo,

was für eine verzwickte Situation. Es tut mir wirklich leid, dass deine Mutter dich so unter Druck gesetzt und dein Vertrauen missbraucht hat und dass auch dein Vater dich so herablassend behandelt. Du verdienst Respekt und einen liebevollen Umgang, vor allem von den Erwachsenen in deinem Leben, die Verantwortung für dich haben.

Was genau du jetzt machen kannst oder sollst, kann ich dir leider nicht einfach so sagen, und das kann auch niemand anderes. Nur du selbst kannst herausfinden, was für dich der richtige nächste Schritt ist. Eins kann ich dir schonmal sagen: Es gibt keine richtigen oder falschen Entscheidungen, es gibt keinen Weg, den alle einschlagen müssen, und keinen ‘korrekten’ Zeitrahmen, an den du dich halten musst. Du brauchst die Zeit, die du eben brauchst, und du wirst die Schritte gehen, die sich für dich im Moment gut anfühlen.

Therapeut und Testo

Meine erste Frage ist die: Weiß dein Therapeut, dass du trans bist? An sich musst du nicht extra zu einem*r trans ‘Spezialist*in’ gehen, um Unterstützung und Rat für mögliche Transitionsschritte zu bekommen. Klar, nicht alle Therapeut*innen kennen sich gut mit dem Thema aus, und manche haben auch furchtbar verstaubte Vorstellungen davon, was trans sein bedeutet, aber vielleicht kann ja dein Therapeut eine erste gute Anlaufstelle sein? Oder dich zumindest an jemanden weiter verweisen, dier besser geeignet ist?

Wenn du dir tatsächlich eine neue Person suchen willst oder musst, dann gibt es ja evtl. auch die Möglichkeit, die erste Anfrage per Mail zu machen statt per Telefon. Oder, auch sehr hilfreich: Mach dir vorher ganz ausführliche Notizen oder schreib dir den Text auf, den du sagen möchtest. Klingt vielleicht ein bisschen komisch und ungewohnt, aber du kannst den einfach vorlesen, dann kannst du dir sicher sein, dass du genau das sagst, was du auch sagen möchtest.

Ich weiß, Telefonieren ist furchtbar und ich hasse das auch wie die Pest. Vielleicht hilft es ein bisschen, dich daran zu erinnern, dass diese Telefonate zum Job der Person am anderen Ende gehören. Die sind es also sicherlich gewöhnt, mit nervösen Leuten reden zu müssen und sie können dir genau sagen, was sie wissen wollen. Sowieso reicht es am Telefon auch oft, einfach nur kurz und knapp zu sagen, was du möchtest, z.B. “Ich hätte gern einen Termin für ein Erstgespräch.” Wenn die Person dann nachfragt, kannst du ja immer noch sagen, um welche Themen es geht, aber oft wird das ja auch einfach in der ersten Sitzung behandelt.

Die Sache mit deinen Eltern

Das ist jetzt nur mal der Punkt, der sich leichter lösen lässt – die Sache mit der Hormontherapie und wie du das anstoßen kannst. Die Situation mit deinen Eltern lässt sich leider nicht so einfach lösen. Wenn es gerade die eigenen Eltern sind, die dich nicht richtig wahrnehmen und die dich verletzen bei dem Versuch, dich (gewaltvoll) so hinzubiegen, wie du in ihrer Vorstellung bist, dann ist das besonders schmerzhaft. Es ist in Ordnung, wenn du von deinen Eltern Abstand nehmen musst, sei es jetzt emotional (also mit ihnen nicht mehr über private Dinge reden, ihre Meinungen ignorieren usw.) oder tatsächlich physisch (ihnen aus dem Weg gehen, wenn möglich ausziehen oder ganz den Kontakt abbrechen).

Du hast keine Verpflichtung, Menschen in deinem Leben zu behalten, die dir schaden, auch nicht, wenn du mit ihnen verwandt bist. Du kannst dir stattdessen Menschen suchen, die hinter dir stehen und die dich unterstützen und bestärken.

Tipps für die neue Schule

Zuletzt zu deiner neuen Schule: Toll, dass du diesen Schritt machen konntest! Das finde ich echt stark von dir, und auch, dass du dich sofort mit deinem richtigen Namen und einem Geschlechtseintrag, der für dich passt, angemeldet hast. Falls du noch keinen hast, kann ich dir an dieser Stelle empfehlen, dir einen Ergänzungsausweis zu besorgen. Ist ganz einfach, kostet nur 20€ und kann Behörden und Institutionen davon überzeugen, dass sie deinen richtigen Namen verwenden und nicht den, der auf deinem Pass steht. Du darfst auf jeden Fall überall darauf bestehen, richtig angesprochen zu werden – lass dir nicht erzählen, dass Lehrer*innen oder Zeugnisse deinen alten, falschen Namen benutzen ‘müssen’, das stimmt nicht!

Ich wünsche dir alles Gute an der neuen Schule und mit deinem weiteren Weg und hoffe, du findest einen guten Umgang mit deiner familiären Situation. Wenn du noch weitere Fragen hast, schreib uns gerne wieder!

Viele Grüße,
Balthazar