Kummerkastenantwort 1.496: Könnte es sein, das ich äußerlich ein Mann bin, innerlich eine Frau und trotzdem auf Frauen stehe, die innerlich ein Mann sind?
Hallo liebes Queer Lexikon Team,
BIs ich (männlich) 30 war habe ich überhaupt nicht über meine sexuelle Auslegung nachgedacht. Schon als Kind fand ich Frauen immer wunderschön und sexuell anziehend. Dies ist auch heute noch so. Doch seit etwa 7 Jahren erhalte ich immer mehr Zeichen, von Aussen von Freunden und meiner Umgebung, das ich auch sehr weiblich herüber komme.
Könnte es sein, das ich äußerlich ein Mann bin, innerlich eine Frau und trotzdem auf Frauen stehe, die innerlich ein Mann sind ?
Ich habe mir hier bereits einiges durchgelesen. Und denke das ich mich gar nicht recht entscheiden kann ob ich männlich oder weiblich bin. Also Genderfluid.
Ich hasse es wenn Männer abwertend über Frauen herziehen und steh auch nicht auf diese sexuellen Bemerkungen wenn es über Frauen geht. Da denke ich mir oft ich bin kein Mann.
Ich möchte auch kein Kleid anziehen oder mich umoperieren lassen. An sich bin ich mit meinem Männlichen Aussehen zufrieden. Einige in meinem Umfeld sagten es nicht direkt zu mir, nannten allerdings das Pronomen „Es“ sehr häufig oder sprachen auch „Sie“ aus.
Mir wurden auch Geschichten erzählt über Menschen die im falschen Körper stecken. Ich habe erst nachdem das Alles passiert ist darüber nachgedacht.
Ich selbst würde mich gerne definieren, kann es aber nicht so recht.
Habt ihren einen Rat wie ich weiter herausfinde wer oder was ich bin ?
Liebe Grüsse
Von A.M
Hi A.M!
Sich selbst zu definieren ist oft gar nicht so leicht. Ich versuche mal dir ein bisschen beim Ordnen zu helfen. Vorher muss ich aber leider ein bisschen mehr Chaos für dich machen. Einges, das du ansprichst, hat nämlich gar nicht unbedingt etwas mit Geschlecht bzw. Anziehung zu tun.
Ich habe den Eindruck, dass zumindest ein Teil deines Gefühls kein Mann sein zu können daher stammt, dass du Männlichkeit und toxische Männlichkeit vermischst. Viele verstehen den Begriff so, dass Männlichkeit generell als schlecht und schädlich abgestempelt wird, aber eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Der toxische Teil ist, das es nur eine akzeptierte Form gibt männlich zu sein. Hart, bloß keine Gefühle außer Wut zeigen, keine Hilfe suchen oder annehmen, Frauen und queere Menschen klein reden oder misshandeln. Solche Züge werden oft als besonders männlich hochgehalten. Aber sie machen keine Männer aus, sondern macht sie und alle in ihrem Umfeld kaputt. Männer dürfen weich sein, Dinge schön finden und selbst schön sein, sich um sich selbst und andere kümmern, und tun, was ihnen Freude macht. Du musst also nicht trans sein, bloß weil du Respekt vor Frauen hast und nicht in das Bild deiner Freunde eines Mannes passt.
Das heißt aber auch nicht, dass du ein Mann sein _musst_. Das Narrativ des im falschen Körper stecken passt für viele trans Personen gar nicht unbeding. Viele (aber auch nicht alle!) wollen ihren Körper modifizieren, z.B. durch Hormontherapie oder Operationen. Aber das ist keine Voraussetzung, um trans zu sein. Wenn du mit deinem Körper zufrieden bist, aber dein zugewiesenes Geschlecht sich nicht gut anfühlt, reicht das vollkommen aus, um dich als trans zu bezeichnen.
Ich hab ein paar Korrekturen zu Begriffen, die du verwendest. Keine Sorge, das kann man am Anfang nicht wissen, aber es ist gut sich eine diskriminierungsarme Sprache anzueignen.
Die Bezeichnung von Frauen, die innerlich Männer sind bzw. Männern, die innerlich Frauen sind, wird aber von den meisten trans Personen stark abgelehnt. Ein trans Mann ist innen wie außen ein Mann, egal wie andere seinen Körper bezeichen würden. Ebenso ist eine trans Frau durch und durch Frau, ganz gleich, wie sie aussieht. Und nicht-binäre Menschen sind komplett nicht-binär, auch wenn andere ihre Körper gerne in binäre Geschlechter einteilen würden.
Außerdem würde ich nicht genderfluid als Bezeichnung für Personen verwenden, die nicht wissen, ob sie männlich oder weiblich sind. Genderfluide menschen kennen in der Regel ihr Geschlecht sehr gut, es ist nur nicht immer das gleiche. Eine mögliche Bezeichnung für Personen, die sich (noch) nicht sicher sind, ist questioning.
Aber was bestimmt denn dann jetzt dein Geschlecht und deine Anziehung? Das ist einerseits sehr simpel und anderseits vielleicht etwas unbefriedigend: du. Sonst nichts und niemand. Die entscheidene Frage ist dabei meiner Meinung nach, mit welcher Bezeichnung du dich gut und gut beschrieben fühlst. Vielleicht bist du ein heterosexueller cis Mann, der mit klassischen Rollenbildern bricht. Vielleicht bist du eine lesbische trans Frau. Wenn sich zwei oder mehr Geschlechtsidentitäten für dich passend anfühlen, bist du vielleicht auch bigender, polygender, genderfluid oder ähnliches. Da hilft meines Wissens nur, sich ein bisschen umzuschauen und auszuprobieren, was sich für dich am besten anfühlt.
Ich hoffe, ich habe dich nicht völlig erschlagen. Frag gerne nochmal nach, wenn sich neue Fragen ergeben haben oder etwas nich ganz klar geworden ist!
Liebe Grüße
Lir