Kummerkastenantwort 2.319: Ich bin völlig verwirrt

Ich weiß grad nicht wer ich bin. Ich bin trans, nicht binär queer, demigreysexuell. Diese Dinge beschreiben mich. Und doch auch nicht so wirklich. Ich habe immer noch das Gefühl da fehlt was. Ein Puzzleteil. Ich habe das Gefühl, wenn ich von meinem Körper/Aussehen so bleibe bzw. mich weiter entwickelte, würde das nicht passen. Ich merke auch, dass ich Dysphorie habe, aber ich kann nicht spezifizieren worauf die sich bezieht. Irgendwas passt nicht, aber ich weiß nicht was. Ich habe das Gefühl stehenzubleiben. Und gleichzeitig mit Vollspeed zu rennen und nicht stehenbleiben zu können. Auf der Suche. Aber weiß nicht wo ich suchen soll. Auf dem Weg und doch daneben. Stillstand und Vollspeed. Verwirrung und Klarheit. Nichts ergibt Sinn.

Egal was ich tue, es fühlt sich falsch an. Wie als ob ich einen kratzigen Pulli nach dem anderen anziehe. Und keiner ist gemütlich und flauschig. Es ist so verlockend einfach nichts mehr zu tun. Wenn doch eh nichts funktioniert. Ich versuche trotzdem rauszugehen, aber mit Corona ist alles doppelt schwer und im Schwimmbad oder dergleichen werde ich egal in welcher Dusche darauf hingewiesen, dass ich mich doch in der falschen befinde. Ich darf mir ständig Fragen anhören. Warum hast du kurze Haare, warum rasierst du dir nicht die Beine, warum siehst du so “männlich” aus? Mit langen Haaren sähst du doch so viel schöner aus. Bist du ein Mädchen oder ein Junge? Du bist ein Junge, oder? Du bist ein Mädchen, oder? KEINE AHNUNG MENSCH.

Ich weiß es nicht. Fühle mich mit beidem unwohl. Ich fühle mich aber auch mit Begriffen wie trans und nicht binär nicht so ganz wohl. Und ich weiß nicht wo ich mit mir hinwill. Ich weiß nicht wo ich mit mir hinsoll. Weiß wo ich hinwill beruflich. Ich weiß nicht wo ich hinwill menschlich. Und ich weiß nicht was ich machen soll. Ich habe gefühlt jede Online Hilfe durch. Mein Therapeut kann mir nur bedingt helfen. Ich weiß nicht wie es weitergehen soll, aber ich weiß dass es weitergeht. Ambivalent. Tschau Chip

Hej,

das klingt wie eine ganze Menge. Ich hab irgendwann mal mein Abitur gemacht. Und dann hatte ich fast alle Möglichkeiten. Fast alle, weil mein Schnitt ganz sicher nicht für Medizin gereicht hat. Weil ich nicht das Geld hatte, erstmal ein Jahr ins Ausland zu gehen. Aber im Prinzip stand mir die Welt offen. Und ich hatte keine Ahnung, was ich tun will. Ausbildung? Wenn ja, worin? Studium? Wenn ja, was? Erstmal einen “Ferienjob”, Geld einsammeln und dann mal schauen?

Es war eine recht unbefriedigende Zeit – alle um mich rum haben den Erfolg gesehen, ich hatte jetzt einen Abschluss. Und die Möglichkeiten: (quasi) alle. Und ihre eigenen Ideale: geht bestimmt studieren! – Ich dagegen hab vor allem gesehen, dass ich von viel zu vielen Berufen und Studiengängen keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde. Dass ich keine Ahnung hatte, was ich in 5 oder 10 Jahren tun wollen würde. Auch, weil ich mich richtig entscheiden wollte.

Irgendwann konnte ich das für mich flippen. Ich hab mich in der Informatik eingeschrieben, weil ich dachte, dass ich davon mehr als nix verstehe. Und ich hab mir versprochen, dass ich das nur zu Ende bringe, wenn ich nichts besseres finde. Dass ich das nur zu Ende bringe, wenn ich das Gefühl hab, dass ich damit länger was anfangen kann.

Und vielleicht kann das auch eine Strategie für dich sein: Irgendwas, was nicht ganz verkehrt fühlt, machen. Dir zusichern, dass du hinschmeißen darfst, wenns nicht passt. Und dann mal schauen. Egal, ob Jobs, ob Labels, ob Looks, ob Pronomen, ob Namen, egal was. Irgendwas nehmen, irgendwas anstoßen und wenns wirklich wirklich nicht passt zurück auf Anfang.

Viel Erfolg,
Xenia

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