Wie Corona mit dazu führte, dass ich mir selbst bewusst wurde.

Wie ihr euch erinnern könnt, hat Anfang letzten Jahres die Corona Pandemie begonnen, welche das alltägliche Leben viele zum Erliegen gebracht hat. Bei mir führte es erstmal dazu, dass ich ins Home Office kam und 3 Stunden pendeln täglich wegfielen.
Es fielen gleichzeitig auch regelmäßige Treffen mit wichtigen Personen für mich weg. Kurzum es hat mich unvorbereitet aus meinem Rhytmus gerissen, den ich bis dahin hatte.
Was folgte war, dass meine Depression sich mal wieder gemeldet hat und ich nichts mit mir anzufangen wusste.

Um einfach irgendwas zu tun, habe ich damals einige Videos gesehen, unter diesen 2 Philosophie Videos, an die ich mich bis dahin nicht getraut hatte. Während des ersten Videos brach langsam die Schale des Egg1 und am Ende des zweiten war sie komplett zerbrochen. Mir war ab da bewusst das ich trans bin, aber was genau wusste ich noch nicht. Während des ganzen habe ich weinen müssen und die Songs die in den Videos Verwendung fanden, haben sich mir tief eingebrannt.

Hier fing es also für mich an, der Weg in die (für mich) neue Welt 🙂

Mir war klar, dass ich weder Mann noch Frau bin, ich hatte aber noch keine Bezeichnung dafür. Ich machte mich also im Internet auf die Suche nach Worten, um mich und meine Identität beschreiben zu können, denn es keinen Namen geben zu können kam für mich damals nicht in Frage. Zuerst stieß ich auf die Bezeichnung Weder*noch und später dann auf die Bezeichnung Agender. In der Zwischenzeit habe ich mit meiner WohnPartnerin, sowie auch meiner besten Freundin über das Thema geredet und bin auf offene Ohren gestoßen, wofür ich sehr dankbar bin.
Nach einiger Zeit bin ich dann hier auf das Queer-Lexikon gestoßen und dem Regenbogenchat, welche für mich zu einem Anker wurde. Denn mit der Erkenntnis und dem Namen für meine Identität kamen neue Fragen auf, z.B. der was meine sexuelle Orientierung denn nun ist. Hetero- und homosexuell wirkten doch sehr auf die binäre Geschlechtszuordnung zugeschnitten und da war ich ja nun kein Teil mehr von. Es regte mich aber auch an, an eben diese Fragen mit offenen Augen ranzugehen. Zuerst habe ich Gynosexuell als Label versucht, bin aber inzwischen bei dem weit freieren Polysexuell gelandet, da mir inzwischen nicht mehr so wichtig ist wie präzise die Bezeichnung ist, da es nie zu 100% zutreffen wird. Dieses Eingeständniss hat aber seine Zeit gebraucht.

Ich weiß nicht wie weit ich in diesem Prozess wäre oder ob er überhaupt begonnen hätte, wär die Pandemie und die Umstände nicht gewesen. Wie ich finde ein seltsamer Gedanke.


Fußnoten:

1Egg:  Eine Bezeichnung für eine trans Person die sich ihres trans seins noch nicht bewusst ist oder sich dessen gerade erst bewusst wird, “durch das brechen ihrer Schale”.

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