Kummerkastenantwort 3.809: Wie kann ich die Beziehung zu meinen Eltern verbessern?
Heya! Ich möchte mich zuallererst dafür bedanken, was ihr hier alles tut, die Kummerkastenantworten und das Lexikon haben mir während meines inneren Coming-Outs sehr geholfen und auch jetzt bietet ihr einen Ort (im Internet!) der nicht toxisch und voller Hass ist, sondern sich gewissermaßen “sicher” anfühlt (weswegen ich mich auch traue zu schreiben). Also herzlichen Dank dafür! Ich wollte fragen, ob ihr wisst wie ich die Beziehung zu meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, verbessern kann. Ich habe meinen Eltern nämlich nach meinem Outing zwar mitgeteilt, wie ich genannt werde möchte und welche Ausdrücke sie für mich verwenden sollen, aber sie weigern sich, bzw. verwenden immer noch meinem Deadname, etc. Ich habe das Gefühl, dass sie denken meine Identität sei eine Phase, oder sie behandeln es zumindest so. Wir haben seit dem Gespräch nach meinem Outing vor 10 Monaten nicht mehr über meine Identität gesprochen, wobei das nächste zu einem Gespräch ein abfälliger Witz, eine kurze Bemerkung und ein Dad-Joke über non-binäre Quantencomputer war. Ich habe bereits aufgegeben jemals mit ihnen darüber zu reden, da sie einfach nicht und nie verstehen werden, bzw. es niemals tun werden. Das verletzt mich sehr, also bin ich auch häufig abweisend und etwas gemein zu ihnen, isoliere mich vor allem emotional von ihnen, was sie (besonders meine Mutter) sehr verletzt. Der Punkt ist: meine Eltern haben es nicht verdient, dass ich sie so behandele. Sie lieben mich sehr und tun alles für mich (mit Ausnahme allem meine Identität betreffenden) und sollten nicht von mir so behandelt werden. Zusammenfassend wäre ich schlicht dankbar über jeden Rat darüber, wie ich mit der Situation umgehen und meine Eltern wieder in mein Leben (emotional gesehen) lassen kann, im optimal Fall ohne meiner psychischen Gesundheit zu schaden. Nochmals vielen herzlichen Dank für alles was ihr tut! Danke! Und einen schönen Tag/Nacht/Morgen/Abend noch!
Hallo!
Um das vorneweg zu nehmen: das, was du beschreibst, klingt nach einer sehr sehr anstrengenden und schwierigen Situation. Es tut mir leid, dass du das durchmachen musst.
Eine einfache Lösung gibt es nicht, aber das war dir vermutlich auch schon klar.
Ob es überhaupt eine Lösung gibt, hängt leider vor allem davon ab, wie sich deine Eltern verhalten.
Du kannst natürlich versuchen, einfach hinzunehmen, dass deine Eltern dein Geschlecht nicht respektieren – unabhängig davon, wie sehr sie dich lieben, sind sie dann leider nicht allzu unterstützend. Aber realistisch betrachtet wird das ziemlich schwer, weil du in jeder Lebenssituation, immer wenn sie dich deadnamen oder misgendern, daran erinnert werden wirst, dass sie einen großen Teil von dir weder akzeptieren, noch respektieren. Ich glaube nicht, dass du es dann schaffen kannst, dich wieder mit ihnen anzunähern, denn dich – das queere Kind, das sie nunmal haben – scheint ja gar nichts zu sein, dem sie sich annähern wollen, sondern nur einer cishetero Idee von ihrem Kind. Du kannst sie nicht emotional teilhaben lassen, wenn sie deine Emotionen gar nicht respektieren wollen.
Du kannst versuchen, das ganze mit der Brechstange durchzusetzen – auf deinen Deadname nicht länger reagieren, bei jedem Misgendern korrigieren. Das wird am Anfang sicher sehr hart. Wenn du Glück hast, verändern deine Eltern aber nach ein paar Monaten ihr Verhalten. Wenn du Pech hast, eskaliert der Konflikt noch weiter. Ich weiß nicht, was das schlimmste wäre, was in so einem Fall passieren könnte, und ob du damit umgehen könntest. Deine Sicherheit steht an oberster Stelle.
Du kannst versuchen, eine Person, die von deinen Eltern auch respektiert wirst, um eine Vermittlung zu bitten. Ob deine Eltern sich auf ein Gespräch mit einer dritten Person einlassen würden, kannst du am besten selbst abschätzen. Eine gute Option wäre hier auch (falls es sowas in deiner Nähe gibt) eine queerfreundliche Psychotherapie-Person. Bei Kinder- und Jugendpsychotherapie sind auch immer Sitzungen mit der Familie inbegriffen, in denen man so etwas ansprechen könnte.
Du kannst auch versuchen, allein noch einmal das Gespräch mit deinen Eltern zu suchen, um ihnen (oder zumindest deiner Mutter) klar zu machen, dass du sie gar nicht aus deinem Leben ausschließen willst – dass dein Geschlecht aber eben auch ein wichtiger Teil von deinem Leben ist. Und dass du dir wünscht, dass sie zumindest versucht, dich zu unterstützen, damit ihr einander wieder näher kommen könnt.
Wichtig ist: du bist nicht für das emotionale Wohlbefinden deiner Eltern zuständig. Du bist ihr Kind, nicht andersrum. Ich verstehe, dass man sich als Kind oft für seine Eltern verantwortlich fühlt, gerade für die Gefühle der eigenen Mutter. Aber ihre Gefühle sind ein Sie-Problem. Du bist nicht dafür verantwortlich, wenn sie transfeindlich ist und ihr euch entfremdet, und sie deswegen traurig ist. Das hat sie sich dann selbst zuzuschreiben. Das ist sehr schwierig, zu verinnerlichen. Aber es ist auch sehr wichtig, sich das zu merken.
Wenn du weiter Probleme zuhause hast, kannst du dich auch nochmal per Mail bei uns melden. Hier findest du weitere Infos dazu.
Ich wünsche dir viel, viel Glück und alles Liebe.
Elias