Versachlichung Teil 10 – vorschnelle Entscheidungen?

Die Situation für trans Personen hat sich in den letzten Jahren stark verbessert, auch wenn „stark verbessert“ immer noch größtenteils sehr schlecht ist. Trans Personen finden auch durch soziale Medien, mehr Gehör. Leider gilt das auch für Transfeind*innen. Die Gesetzentwürfe zu einem Selbstbestimmungsgesetz von der FDP und den GRÜNE, die enorme Verbesserungen bringen würden, rufen jede Menge Transfeind*innen auf den Plan, die diese Gesetze verhindern wollen. Diese geben vor, für den Schutz von Frauen und Kindern zu kämpfen, aber in Wirklichkeit sind sie nur von Hass auf trans Personen getrieben. Zum Glück sind sie nicht besonders kreativ und bringen immer wieder die gleichen Argumente. Die Häufigsten werden hier aufgeführt und mit Studien, Zahlen und Fakten widerlegt. Und das in der Sachlichkeit, deren Fehlen trans Personen immer vorgeworfen wird, die Transfeinde bisher aber noch nicht vorzuweisen geschafft haben. Die meisten Argumente beziehen sich auf die Entwürfe zum Selbstbestimmungsgesetz, das allerdings 2021 im Bundestag abgelehnt wurde, ergänzend dazu gibt es noch ein paar, die vor allem von TERFs (Trans Exclusionairy Radical Feminists) häufig gebracht werden.

Sarah setzt sich zusammen mit ihrer Frau bei den Grünen für das Selbstbestimmungsgesetz ein. Dafür hat sie sich viel mit dem Gesetzentwurf und den transfeindlichen Gegenargumenten beschäftigt. Dass die häufigsten Einwände und Gegenargumente jeglicher Fakten entbehren zeigt sie in dieser Reihe. Für Feedback und Kommentare könnt ihr sie unter sarah@queer-lexikon.net erreichen.

Heute: „Es ist gefährlich, wenn trans Menschen, insbesondere Kinder vorschnell medizinische Maßnahmen wie die Einnahme von Hormonen oder Operationen durchführen lassen können. Es sollte erst sicher gestellt werden, dass sie auch wirklich trans sind, damit sie die Behandlung später nicht bereuen.“

Nur, wenn du wirklich trans bist, nachher entscheidest du dich noch um!

Es gibt immer Falschdiagnosen in jedem medizinischen Feld und es gibt immer Menschen, die die Behandlung bereuen. Transition hat einen extrem geringen Anteil an bereuenden Personen, Studien fanden einen Anteil von weniger als 1 % bis 2,2 % der trans Personen bereuen die Transition (mehr dazu, noch mehr), wobei der Anteil an bereuenden Personen immer weiter abnimmt. Zwischen 2001 und 2010 ist der Anteil nur noch bei 0,3 %. Im Vergleich dazu hat z. B. die Behandlung von Prostatakrebs einen Reueanteil von 15 % (mehr dazu).

Viele derer, die die Transition bereuen, tun dies nicht, weil es die falsche Entscheidung war, sondern weil sie nach der Transition Zum Beispiel Diskriminierung erfahren oder ihre Familie verloren haben. Oder weil sie nicht einem binären Geschlecht angehören, ihnen dafür aber keine Behandlung ermöglicht wurde. Häufig haben sie die Informationen dazu erst viel später erhalten.

Die Vorschriften:

Unüberlegt und vorschnell medizinische Maßnahmen in Anspruch zu nehmen ist aktuell auch nicht möglich. Die Begutachtungsanleitung des MDS sieht vor, dass mindestens 12 Sitzungen á 50 Minuten in einem psychiatrisch/psychotherapeutischen Setting über mindestens ein halbes Jahr notwendig sind. Und erst dann bevor Hormone verschrieben werden dürfen. Für genitalangleichende Operationen ist ein Jahr Therapie notwendig (mehr dazu). In dieser Zeit müssen sie beweisen, dass ihr Leidensdruck ausreichend stark ist, dass medizinische Transitionsschritte notwendig sind. Zusätzlich müssen bereits alle psychiatrischen/psychotherapeutischen Mittel, den Leidensdruck zu lindern, ausgeschöpft worden sein. Das kommt einer Konversionstherapie gleich. Dabei ist es egal, ob sich die betreffende Person schon über ihr Geschlecht im Klaren ist und sehr genau weiß, welche Transitionsschritte sie wünscht. Oder ob sie sich noch im Selbstfindungsprozess befindet und dabei Unterstützung wünscht.

Der Zugang zu medizinischen Maßnahmen ist bereits mit großen Hürden verbunden. Er darf nicht noch mehr erschwert werden, weil Wenige die Behandlung bereuen könnten.Wir brauchen mehr Akzeptanz, bessere Aufklärung und bessere Behandlung auch für nicht binäre trans Personen. Es muss bereits in der Schule Aufklärung betrieben werden. Und zwar nicht erst, wenn ein geoutetes trans Kind in der Klasse ist, sondern fest im Lehrplan verankert. So können auch Jugendliche selbstbestimmt entscheiden, ob sie Pubertätsblocker nehmen wollen, oder nicht. So kann die Rate derer, die die Behandlung bereuen, noch stärker verringert werden.

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