Kummerkastenantwort 2.405: Ich habe Fragen und Zweifel zu meinem Geschlecht
Hallo.
Ich wurde bei Geburt der Kategorie ‚weiblich‘ zugeordnet. Mein ganzes Leben, also bis vor zwei, drei Jahren, habe ich das nicht groß hinterfragt.
Mittlerweile hat sich das geändert, und ich vermute, dass das auch mit meinem sehr queeren Umfeld zu tun hat.
Ich hab angefangen, mich so zu fühlen, als würde ich jedes mal wenn ich in einer Pronomenrunde sage, dass mein Pronomen ’sie‘ ist, die binäre Geschlechterordnung zementieren & ich wünsche mir eigentlich eine Welt, in der Geschlecht keine Rolle mehr spielt.
Ich fühle mich nicht wirklich als Frau, als Mann aber auf jeden Fall erst recht nicht.
Ich weiß allerdings auch nicht, wie ich mich als ‚Frau‘ fühlen soll, weil es ja einfach nur eine Kategorie ist. Ich fühle mich vor allen Dingen einfach wie ich.
Momentan lese ich ‚exit gender‘ von lann hornscheidt und unter anderem dieses Buch hat mich dazu inspiriert, jetzt erstmal kein Pronomen mehr zu benutzen und die Genderbrille, mit der wir so durch die Welt laufen zu hinterfragen.
Meine Unsicherheit besteht darin, dass es ja Leute gibt, die sich wirklich Unwohl mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht fühlen, und ich deren Kämpfe nicht unsichtbar machen möchte und keinem Menschen auf die Füße treten will.
Ich fühle mich nämlich glaub ich nicht so wirklich unwohl damit, als Frau eingelesen zu werden, aber es muss für mich eben nicht sein, bzw. ich würde mir wünschen, dass die Menschen mich einfach als Mensch sehen und nicht mein Geschlecht so sehr im Vordergrund steht.
Ich weiß einfach nicht, ob es ok ist sich als agender bzw exgendernd zu bezeichnen, wenn es sich eher so anfühlt, als wäre das ein ‚politisches Statement‘, ohne, dass ich mich wirklich unwohl fühlen würde mit meinem zugewiesenen Geschlecht.
Ich erhoffe mir eine ehrliche Antwort & suche hier gerade nicht nach Bestärkung oder Beruhigung.
Danke für eure superwichtige Arbeit <3 <3
E.
Hallo E.,
ich lese raus, dass du die geschlechtliche Normativität innerhalb der Gesellschaft stark hinterfragst.
Du wünschst dir auch als Mensch gesehen zu werden, anstatt als Frau, wenn ich es richtig verstanden habe. Das ist legitim und verständlich. Du darfst dir das wünschen, auch als cis Frau. Geschlechter sind sozial konstruiert, doch diese Einteilung ist deswegen nicht irrelevant. Viele Menschen leiden darunter im Patriarchat. Man spricht dabei auch von „Doing gender“. Der Begriff beschreibt die aktive Herstellung von Geschlecht durch Interaktion, durch unser Handeln.
Du schreibst auch, dass du dich „nicht so wirklich unwohl damit“ fühlst, „als Frau gelesen zu werden“. Würdest du also sagen: Ich fühle mich wohl, als Frau gelesen zu werden?
Lautet für dich die Antwort: „nein“, bist du möglicherweise nicht cis. Es ist nicht notwendig, einen (großen) Leidensdruck zu spüren, um sich als trans bezeichnen zu können. Vielleicht spürst du keine Dysphorie bezogen auf deinen Körper, aber der soziale Aspekt deines zugewiesenen Geschlechts bereitet dir Unbehagen. Gerne kannst du prüfen, ob du dem zustimmst.
Vielleicht spricht dich gender nonconforming an? Im Gegensatz zu trans geht es dabei mehr um die grundsätzliche Ablehnung der gesellschaftlichen binären Norm in Bezug auf Geschlecht.
Du könntest es die verschiedenen Labels einfach ausprobieren und beobachten, wie es dir damit geht. Niemand wird dir darum böse sein und du nimmst damit niemandem den Raum weg. „Fehler“ machen ist definitiv erlaubt, denn es bedeutet nichts anderes, als etwas auszuprobieren und festzustellen, es war nicht gut.
Du könntest dich weiterhin informieren, lesen, recherchieren und dich mit Menschen austauschen. Hier füge ich ein paar Empfehlungen, die dich vielleicht interessieren könnten:
Unser Blogpost zum Queeren Imposter-Sayndrom und die kostenlose Broschüre „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden?“ vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und dem Bundesverband Trans*
Vielleicht kann es dir auch helfen, dich mit anderen queeren jungen Menschen auszutauschen, z.B. in unserem Regenbogenchat.
Wenn du weitere Fragen hast, melde dich gerne jederzeit wieder!
Beste Grüße,
Elizy